Das geheime Schloss des Zaren
Gerüchte gab es schon lange, jetzt gibt es Zahlen und ausführliches Bildmaterial: unter dem Titel „Ein Palast für Putin. Die Geschichte der größten Bestechung“hat das Team von Alexei Nawalny ein fast zwei Stunden langes Youtube-video online gestellt, das der seit seiner Rückkehr nach Russland inhaftierte Kremlgegner teils noch in Deutschland produziert hat. Nawalny wirft dem Kreml-chef vor, sich für 100 Milliarden Rubel – mehr als eine Milliarde Euro – am Schwarzen Meer ein Luxusanwesen aus Gold und Marmor errichtet zu haben. Das Gelände des „teuersten Palasts der Welt“, wie es Nawalny nennt, sei 39 Mal so groß wie Monaco und mit Korruptionsgeldern erbaut. Der Kreml weist die Vorwürfe als „Unsinn“zurück.
Den Recherchen des Nawalny-teams zufolge befindet sich das Anwesen im Besitz des Inlandsgeheimdienstes FSB, der eigentliche Besitzer sei aber Putin. Langweilig wird es einem dort jedenfalls nicht: Es gebe eine Wasserpfeifenbar mit Poledance-stange, ein unterirdisches Eishockey-stadion, Saunen und eine Waffenkammer mit Kalaschnikow-sturmgewehren, ein Theater, ein Teehaus, ein Casino, einen Tunnel zum Strand, Weinberge.
Der Palast wurde dem Video zufolge durch enge Vertraute des Präsidenten finanziert – unter anderem durch den Chef des Ölkonzerns Rosneft, Igor Setschin. Die Baustelle wird vom Geheimdienst abgeschirmt – Nawalnys Leute konnten offenbar von einem Schlauchboot aus eine Drohne über das Anwesen schicken. Zudem wurde ihnen ein genauer Grundriss des 17.691 Quadratmeter großen Hauptgebäudes zugespielt. Sofas zum Preis von 22.000 Euro pro Stück sollen dort zur Ausstattung zählen.
Nawalny zeichnet in dem Video den Weg Putins vom Kgbmitarbeiter in Dresden bis zum heutigen Präsidenten und dem Bau des Anwesens nach. Dabei zeigt er auch Kinderfotos von Putins Töchtern – auch das Bild einer angeblichen unehelichen Tochter kommt darin vor.
Mit Drohnen filmte das Team von Alexei Nawalny ein Luxusanwesen, das sich Wladimir Putin am Schwarzen Meer errichtet haben soll.
gleich zwei Tabuthemen, die Journalisten in Russland üblicherweise aussparen: Das eine sind Vermutungen über Korruption im Zusammenhang mit Putin; das andere die Familienverhältnisse des Präsidenten. Innerhalb einer halben Stunde wurde der Film auf Youtube fast eine halbe Million Mal angeklickt. Am Ende des Videos ruft Nawalny seine Anhänger zu Protesten
kommenden Samstag auf: „Unsere Zukunft liegt in unserer Hand. Schweigt nicht!“
Dennoch: Die Chancen, dass es wegen des Videos, des Giftanschlags auf Nawalny oder seiner Inhaftierung zu Massendemonstrationen kommt, sind gering – so bitter das für den 44Jährigen sein mag. Dass es gefährlich geworden ist, sich so klar gegen die Staatsmacht zu stellen, hat ja gerade Nawalnys Schicksal verdeutlicht. Dazu kommt, dass ein großer Teil der Bevölkerung die staatlich kontrollierten Sender konsumiert, die seinen Anti-korruptionskampf unter den Tisch fallen lassen oder ihn als Agenten des Auslands diffamieren.
Nawalny ist in einer verletzlichen Lage und pokert hoch.