Kleine Zeitung Steiermark

Es geht nicht nur um das eigene Wohl

- Irmgard Griss

Auf den ersten Blick ist es paradox. Als die Regierung im Frühjahr die massiven Einschränk­ungen zur Eindämmung von Covid-19 ankündigte, ließ sie sich nicht davon beirren, dass ein Teil der Bevölkerun­g die Gefahren durch das Virus leugnet. Die Maßnahmen wurden rigoros durchgeset­zt. Das ging so weit, dass Personen bestraft wurden, wenn sie auf einer Parkbank saßen und Passanten zu nah vorbeiging­en. Auch jetzt müssen wir mit zahlreiche­n Einschränk­ungen leben.

Bei der Impfung hält sich die Regierung auffallend zurück. Obwohl diese die Chance eröffnet, die Einschränk­ungen aufzuheben, wird die Regierung nicht müde zu beteuern, dass die Impfung völlig freiwillig sei. Diskutiert wird sogar, ob in Unternehme­n Schutzmaßn­ahmen aufrecht bleiben müssen, wenn ein Teil der Belegschaf­t sich nicht impfen lässt.

Dabei geht es nicht um Personen, die aus gesundheit­lichen Gründen nicht geimpft werden können. Es geht um Impfskepti­ker und Impfgegner. Warum wird der negativen Einstellun­g gegenüber Impfungen so viel Gewicht beigemesse­n?

Immer wieder wird argumentie­rt, dass jede Art von Verpflicht­ung zur Impfung den Widerstand nur verstärke. Wenn das so ist, ist es tatsächlic­h besser, davon zu sprechen, wer sich impfen lassen darf, und nicht davon, wer sich impfen lassen muss. Eine Art paradoxe Interventi­on.

Allerdings sollte dabei nicht unter den Tisch fallen, dass es bei der Impfentsch­eidung nicht nur um das eigene Wohl gehen darf. Wir haben auch Pflichten gegenüber unseren Mitmensche­n. Nicht entscheide­nd ist daher, ob wir meinen, das Virus sei gar nicht gefährlich, oder überzeugt sind, als Gesunde eine Infektion leicht wegstecken zu können. Entscheide­nd ist, dass wir mit dieser Entscheidu­ng auch bestimmen, wie wir unser Leben gestalten wollen. Wollen wir weiter Abstand halten, zu Hause bleiben, den wirtschaft­lichen Ruin vieler in Kauf nehmen? uch das sollte die Regierung mit klaren Worten deutlich machen und nicht die Freiwillig­keit der Impfung so in den Vordergrun­d stellen, dass ihre Bedeutung damit geschmäler­t wird.

war Präsidenti­n des Obersten Gerichtsho­fs und Abgeordnet­e zum Nationalra­t der Neos.

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