Babybauchentscheidungen
Der Babyboom in der Politik wirkt weit über das Persönliche hinaus. Es kann nur von Vorteil sein, wenn die Menschen, die die Gesellschaft gestalten, aus deren Mitte kommen.
Gäbe es ein Drehbuch dahinter, müsste man den Autoren gratulieren: Wenige Tage bevor Susanne Raab vom Bundespräsidenten auch als Familienministerin angelobt wird, gibt sie bekannt, dass sie schwanger ist. Sie ist die dritte Ministerin der aktuellen Regierung, die während ihrer Amtszeit Mutter wird. Wie schon bei Elisabeth Köstinger und Alma Zadic´ wird nun wieder gefragt: Kann eine junge Mutter die Staatsgeschäfte lenken?
Dabei ist die Frage längst beantwortet. In Neuseeland wurde Jacinda Ardern, die als Ministerpräsidentin ein Kind bekam, im Oktober mit absoluter Mehrheit im Amt bestätigt. Als Gernot Blümel vergangenes Jahr Vater wurde, nahm das im Übrigen niemand zum Anlass, seine Funktion als Finanzminister infrage zu stellen.
Ein Kind zu haben ist für einen Spitzenjob in der Politik (und auch keinen anderen) zwar keine Qualifikation an sich. Es kann aber für eine Gesellschaft nur von Vorteil sein, wenn jene Menschen, die ihre Regeln machen, aus ihrer Mitte kommen. Wer sich selbst um einen Kindergartenplatz bemühen muss, wird die Bedeutung von Elementarpädagogik anders bewerten. Wer pflegebedürftige Eltern hat, wird anders auf Pflege blicken. Sich gut einfühlen zu können in das Leben von Familien, sollte in der Politik mindestens genauso hoch bewertet werden wie Sitzfleisch oder Rund-um-die-UhrVerfügbarkeit. Soll das Volk gut repräsentiert werden, müssen seine Vertreter ähnlich divers sein wie die Gesellschaft selbst.
Die Babybäuche der Ministerinnen dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Familien die Entscheidung, wie sie sich organisieren, gar nicht selbst treffen. Immer noch werden Frauen im Job nach ihrer Familienplanung gefragt oder für gewisse Positionen erst gar nicht in Betracht gezogen, weil sie im gebärfähigen Alter sind. Personalchefs kontern mit Zahlen: Fast immer bleiben die Frauen bei den Kindern zu Hause. Nicht einmal fünf Prozent aller Tage, für die Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt wird, nehmen Väter in Anspruch. Gleichzeitig bekommen insbesondere gut ausgebildete Menschen tendenziell später Kinder und haben sich beruflich schon etwas aufgebaut. Beide Eltern möchten weiter arbeiten, aber auch für die Kinder da sein. Wie das gehen soll, bleibt für viele Familien ein Fragezeichen. Die erodierenden Rollenbilder schaffen Chancen, aber auch Orientierungslosigkeit. Vorbilder fehlen vielerorts. er Babyboom in der Regierung wirkt daher weit über das persönliche Familienglück hinaus. Er signalisiert, dass man nicht auf Kinder verzichten muss, wenn man sich in der Gesellschaft einbringen möchte. Fragen nach dem Familienmanagement sollten Ministerinnen und Ministern gleichermaßen gestellt werden. Nicht aus Indiskretion, sondern um Vorbilder zu schaffen. Denn jede Familie, die es anders macht als die Mehrheit, bringt uns dem Idealzustand näher, in dem Familien ihre Arbeitsaufteilung so gestalten können, wie es zu ihnen passt.
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