Kleine Zeitung Steiermark

Privatzens­ur in sozialen Netzen?

- Von Norbert Swoboda Es gibt Umstände, wo das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung eingeschrä­nkt wird. Wiederbetä­tigung, Verhetzung etc. Aber die Maßstäbe sind ja keineswegs gleich, wie wir wissen. Was in den USA als obszön gilt, ist es bei uns noch lange nic

Die stärkste Gefährdung geht nicht mehr vom Staat aus, sondern von mächtigen privaten Akteuren. Früher war der Markt stärker staatlich regulierba­r und man konnte alle Kanäle im Blick halten.

Worin besteht die Meinungsfr­eiheit? An sich ja nur im Recht, eine Meinung frei äußern zu dürfen. Aber bei diesen Beispielen geht es eher darum, ob ein Unternehme­n etwas verbreiten muss.

Das ist der springende

Punkt. Das Grundrecht ist staatsgeri­chtet, es richtet sich nicht an private Unternehme­n. Die sind in ihrer Privatauto­nomie grundrecht­lich geschützt. Doch die Kommunikat­ionskanäle haben heute einen Status erreicht, der faktisch dem des öffentlich­en Raumes gleichkomm­t. Wenn ich Donald Trump von Twitter verbanne, wenn ich Content von Herbert Kickl nicht weitergebe, kommt das einer Verbannung von Personen oder Inhalten aus dem öffentlich­en Diskurs schlechthi­n gleich. Daher müsste der Staat sicherstel­len, dass bei bestimmten Unternehme­n ein Zugang zu fairen und gleichen Bedingunge­n gewährleis­tet wird.

Zuletzt gab es ja die umgekehrte Entwicklun­g. Klassische Medien haben darauf gedrängt, dass Facebook und Co. als Publiziste­n zu verstehen sind – und nicht nur als Infrastruk­tur – und daher auch medienrech­tlich bedenklich­e Inhalte sperren müssen.

Wir haben hier eine Gratwander­ung. Einerseits müssen die Betreiber dafür sorgen, keine Hassreden oder dergleiche­n zu verbreiten. Anderseits muss sichergest­ellt sein, dass man am Diskurs teilnehmen kann.

Wie ist das Verhältnis zwischen klassische­n Medien, Infrastruk­tur wie der Post und den sozialen Netzen zu sehen?

Plattformb­etreiber funktionie­ren anders als klassische Medien, sie entspreche­n mehr einer Infrastruk­tur. Es gibt eine enorme Gleichzeit­igkeit, der Umfang ist potenziell unendlich. Mit der Post lässt sich Facebook aber auch nicht vergleiche­n. Denn die Post bestreitet ja ihr Geschäft nicht dadurch, dass sie Briefe veröffentl­icht. Daher ist ein Minimum an Kontrolle den Plattformb­etreibern zumutbar.

Der Grazer Verfassung­sjurist Christoph Bezemek fordert von Facebook und Co. eine Garantie der Meinungsfr­eiheit.

Ja, das ist besonders schwierig und der Kern des Problems. Wahrschein­lich kann man das internatio­nal nur sehr weitgestri­ckt formuliere­n.

Im Moment weiß das keiner, und das ist ein entscheide­ndes Problem. Meiner Meinung nach ist der Gesetzgebe­r gefordert, Schritte zu setzen, die den Zugang definieren. Am besten wäre es, das internatio­nal zu lösen, aber da gibt es erst sehr lose Ansätze. Ministerin Karoline Edtstadler hat ein gesamteuro­päisches Vorgehen gefordert.

Wir benötigen ein Umdenken davon, dass wir den Staat als Gefährder sehen. Hin zu einem Ansatz, wonach die dominanten Akteure längst andere sind.

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