Privatzensur in sozialen Netzen?
Die stärkste Gefährdung geht nicht mehr vom Staat aus, sondern von mächtigen privaten Akteuren. Früher war der Markt stärker staatlich regulierbar und man konnte alle Kanäle im Blick halten.
Worin besteht die Meinungsfreiheit? An sich ja nur im Recht, eine Meinung frei äußern zu dürfen. Aber bei diesen Beispielen geht es eher darum, ob ein Unternehmen etwas verbreiten muss.
Das ist der springende
Punkt. Das Grundrecht ist staatsgerichtet, es richtet sich nicht an private Unternehmen. Die sind in ihrer Privatautonomie grundrechtlich geschützt. Doch die Kommunikationskanäle haben heute einen Status erreicht, der faktisch dem des öffentlichen Raumes gleichkommt. Wenn ich Donald Trump von Twitter verbanne, wenn ich Content von Herbert Kickl nicht weitergebe, kommt das einer Verbannung von Personen oder Inhalten aus dem öffentlichen Diskurs schlechthin gleich. Daher müsste der Staat sicherstellen, dass bei bestimmten Unternehmen ein Zugang zu fairen und gleichen Bedingungen gewährleistet wird.
Zuletzt gab es ja die umgekehrte Entwicklung. Klassische Medien haben darauf gedrängt, dass Facebook und Co. als Publizisten zu verstehen sind – und nicht nur als Infrastruktur – und daher auch medienrechtlich bedenkliche Inhalte sperren müssen.
Wir haben hier eine Gratwanderung. Einerseits müssen die Betreiber dafür sorgen, keine Hassreden oder dergleichen zu verbreiten. Anderseits muss sichergestellt sein, dass man am Diskurs teilnehmen kann.
Wie ist das Verhältnis zwischen klassischen Medien, Infrastruktur wie der Post und den sozialen Netzen zu sehen?
Plattformbetreiber funktionieren anders als klassische Medien, sie entsprechen mehr einer Infrastruktur. Es gibt eine enorme Gleichzeitigkeit, der Umfang ist potenziell unendlich. Mit der Post lässt sich Facebook aber auch nicht vergleichen. Denn die Post bestreitet ja ihr Geschäft nicht dadurch, dass sie Briefe veröffentlicht. Daher ist ein Minimum an Kontrolle den Plattformbetreibern zumutbar.
Der Grazer Verfassungsjurist Christoph Bezemek fordert von Facebook und Co. eine Garantie der Meinungsfreiheit.
Ja, das ist besonders schwierig und der Kern des Problems. Wahrscheinlich kann man das international nur sehr weitgestrickt formulieren.
Im Moment weiß das keiner, und das ist ein entscheidendes Problem. Meiner Meinung nach ist der Gesetzgeber gefordert, Schritte zu setzen, die den Zugang definieren. Am besten wäre es, das international zu lösen, aber da gibt es erst sehr lose Ansätze. Ministerin Karoline Edtstadler hat ein gesamteuropäisches Vorgehen gefordert.
Wir benötigen ein Umdenken davon, dass wir den Staat als Gefährder sehen. Hin zu einem Ansatz, wonach die dominanten Akteure längst andere sind.