Fehler auf der Streif sind verboten
Auch in großer Ruhe kann Stille erdrückend sein: Schwere Stürze von Ryan Cochran-Siegle und Urs Kryenbühl zeigten die Gefahr der Streif – die Ursachen sind geklärt.
Wenn Kitzbühel ein normales Jahr erlebt, dann ist der Fall des Lärmpegels auffällig. Der kollektive Schrei, gefolgt von der Stille zählt zu den eindrücklichsten Erlebnissen. In diesem Jahr aber ist es ohnehin schon ruhig im Zielauslauf. Als Ryan CochranSiegle in der Traverse aber plötzlich abbog und ins Netz krachte, wurde aus der Ruhe Stille. Als nach Unterbrechung und Abtransport des US-Amerikaners der Schweizer Urs Kryenbühl beim Zielsprung stürzte, wurde diese Stille erdrückend. Schwer zu beschreiben, wenn man vermeint, das Rutschen des reglosen Körpers über das gefrorene Wasser bis ins Ziel zu hören – und dann nichts mehr. Vincent Kriechmayr, der gerade das Gelände verließ, blieb stehen. Er blickte auf den Kollegen, der im Schnee lag und stieß einen Schrei aus. „Warum rennt da keiner hin“, rief er, tief besorgt. Sekunden werden in diesem Moment gefühlt zu Minuten. Denn die, die helfen wollten, rannten schon. Nur erweist sich in diesem Moment der Zielraum größer, als es das Auge vortäuscht. Schließlich bewegte sich Kryenbühl, setzte sich sogar auf, wurde erstversorgt.
Die Diagnosen für beide, die am Abend kamen, sind ernüchternd. Ryan CochranSiegle erlitt einen Genickbruch, aber: „Minor“, wie das US-Team schrieb, also leicht. Er war am Abend schon wieder im Team-Hotel. Für
Kryenbühl ist die Saison vorbei. Schlüsselbein gebrochen, dazu auch Kreuz- und Innenband gerissen im rechten Knie. Er wird heute in die Schweiz heimkehren. Wohl auch glücklich darüber, dass er diesen Sturz an dieser Stelle so überstand – ohne Kopfund Wirbelverletzungen. Kryenbühl war sofort ansprechbar, erkannte alle.
Der Zielsprung blieb Thema. „Wir sind heute mehr als 5 km/h schneller zu dieser Stelle gekommen, bei mir waren es 149 km/h“, sagte Hannes Reichelt, „da ist es klar, dass es so weit geht. Ein
Wir sind viel schneller zum
Zielsprung gekommen – ich
mit 149 km/h. Logisch, dass es
da weit geht.
kleiner Fehler, eine Dysbalance – und dann ist es vorbei.“Man fragte, ob der aufgekommene Wind das Problem sei, zauderte – zögerte, das Rennen fortzusetzen. „Mich haben sie gefragt, ob Rückenwind war“, erzählte Daniel Danklmaier, der wohl weit über 60 Meter geflogen war. „Da habe ich gesagt: Sorry, bei mehr als 140 km/h, da spüre ich keinen Rückenwind mehr ...“annes Trinkl weiß als Abfahrtsweltmeister von 2001, worauf es ankommt. Und er wiederholte das, was Michael Huber, Präsident des Skiklubs, bei der Sitzung am Abend sagte: „Wir entschuldigen uns.“Auch Trinkl sagte „sorry“, versuchte zu erklären. Dass die Fahrer eben nicht vorhersehbar viel zu schnell an die Stelle kamen. Dass man dann nicht mehr eingreifen konnte. Und er sagte das, noch immer am Berg stehend. Der Sprung wurde sofort nach dem Rennen umgebaut – abgetragen beim Absprung, die Welle danach wurde ebenfalls entschärft. So will man alles sicherer machen. Das Problem: Fehler der Fahrer kann man nicht immer und zu 100 Prozent verhindern. Und Fehler auf der Streif, die tun wirklich weh ...
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