Druck von außen, Lösung von innen
Es geht um „Einschüchterung“, „Bedrohung“, „grobe Grenzüberschreitung“. Die Empörung reicht von der bürgerlichen „Presse“über den linksliberalen „Falter“bis zum Gratis-Boulevardblatt „Heute“, vom Konzernbetriebsrat der Styria über den Redakteursrat des ORF bis zum Presseclub Concordia. Noch seltener als solche Einigkeit in Österreichs Medienbranche ist nur die Adresse der geballten Entrüstung – die Justiz.
Fünf Oberstaatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) waren per Strafanzeige gegen Anna Thalhammer, Chefreporterin der „Presse“, vorgegangen. Sie hatte einen Spruch des Obersten Gerichtshofs über die Relevanz von Beweismitteln in Bezug zur Ibiza-Video-Praxis der WKStA gestellt. Das hat dort einigen nicht gepasst. Sie zeigten die Journalistin wegen übler Nachrede, öffentlicher Beleidigung einer Behörde und Verleumdung an. Doch die damit befasste Staatsanwaltschaft Wien sah nicht einmal einen Verdachtsgrund und legte das Ganze zurück.
„Riecht ungarisch, hat’s so bisher noch nicht gegeben“, twitterte Thalhammer nach Abwehr der Attacke. „Jeder Rechtfertigungsversuch führt weiter hinter die rote Linie“, solidarisierte sich „Heute“Chefredakteur Christian Nusser. „Nicht zur Tagesordnung übergehen!“, forderte der Styria-Betriebsrat.
Sie alle haben recht. Es wurde versucht, durch Unterstellung von Delikten, die mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht sind, eine Journalistin mundtot zu machen. Dass dies innerhalb der Justiz abgewendet wurde, beweist ihre Funktionsfähigkeit. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, zeigt: Sie hat ein Problem. Es beschränkt sich nicht auf die Beschuldigung, Sektionschef Christian Pilnacek und der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, hätten im Ibiza-U-Ausschuss falsch ausgesagt. egierung und Parlament haben ein schlechtes Image. Eine Ursache dafür ist ihre permanente Öffentlichkeit. Die Justiz als Vertreterin der dritten Staatsgewalt steht weit besser da. Ein Grund dafür ist ihr Dasein hinter den Kulissen. Laut Eurobarometer-Umfragen genießt in Österreich nur die Polizei mehr Vertrauen als das Rechtssystem (außer dem anlassbezogen abgefragten Gesundheitspersonal). Aber auch sie ist heute umstritten – wegen des maßvollen Einsatzes für die Corona-Einschränkungen.
Wenn die Justiz keine nachhaltige Vertrauenseinbuße erleiden will, muss sie wieder als ruhender Pol der Staatsgewalten in den Hintergrund treten. Kritische Kontrolle durch Medien hilft ihr, interne Schwierigkeiten besser zu bewältigen. Weil der Lösungsdruck von außen steigt.
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