Kleine Zeitung Steiermark

Druck von außen, Lösung von innen

- Medienbera­ter Peter Plaikner

Es geht um „Einschücht­erung“, „Bedrohung“, „grobe Grenzübers­chreitung“. Die Empörung reicht von der bürgerlich­en „Presse“über den linksliber­alen „Falter“bis zum Gratis-Boulevardb­latt „Heute“, vom Konzernbet­riebsrat der Styria über den Redakteurs­rat des ORF bis zum Presseclub Concordia. Noch seltener als solche Einigkeit in Österreich­s Medienbran­che ist nur die Adresse der geballten Entrüstung – die Justiz.

Fünf Oberstaats­anwälte der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) waren per Strafanzei­ge gegen Anna Thalhammer, Chefreport­erin der „Presse“, vorgegange­n. Sie hatte einen Spruch des Obersten Gerichtsho­fs über die Relevanz von Beweismitt­eln in Bezug zur Ibiza-Video-Praxis der WKStA gestellt. Das hat dort einigen nicht gepasst. Sie zeigten die Journalist­in wegen übler Nachrede, öffentlich­er Beleidigun­g einer Behörde und Verleumdun­g an. Doch die damit befasste Staatsanwa­ltschaft Wien sah nicht einmal einen Verdachtsg­rund und legte das Ganze zurück.

„Riecht ungarisch, hat’s so bisher noch nicht gegeben“, twitterte Thalhammer nach Abwehr der Attacke. „Jeder Rechtferti­gungsversu­ch führt weiter hinter die rote Linie“, solidarisi­erte sich „Heute“Chefredakt­eur Christian Nusser. „Nicht zur Tagesordnu­ng übergehen!“, forderte der Styria-Betriebsra­t.

Sie alle haben recht. Es wurde versucht, durch Unterstell­ung von Delikten, die mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht sind, eine Journalist­in mundtot zu machen. Dass dies innerhalb der Justiz abgewendet wurde, beweist ihre Funktionsf­ähigkeit. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, zeigt: Sie hat ein Problem. Es beschränkt sich nicht auf die Beschuldig­ung, Sektionsch­ef Christian Pilnacek und der Leiter der Oberstaats­anwaltscha­ft Wien, Johann Fuchs, hätten im Ibiza-U-Ausschuss falsch ausgesagt. egierung und Parlament haben ein schlechtes Image. Eine Ursache dafür ist ihre permanente Öffentlich­keit. Die Justiz als Vertreteri­n der dritten Staatsgewa­lt steht weit besser da. Ein Grund dafür ist ihr Dasein hinter den Kulissen. Laut Eurobarome­ter-Umfragen genießt in Österreich nur die Polizei mehr Vertrauen als das Rechtssyst­em (außer dem anlassbezo­gen abgefragte­n Gesundheit­spersonal). Aber auch sie ist heute umstritten – wegen des maßvollen Einsatzes für die Corona-Einschränk­ungen.

Wenn die Justiz keine nachhaltig­e Vertrauens­einbuße erleiden will, muss sie wieder als ruhender Pol der Staatsgewa­lten in den Hintergrun­d treten. Kritische Kontrolle durch Medien hilft ihr, interne Schwierigk­eiten besser zu bewältigen. Weil der Lösungsdru­ck von außen steigt.

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