Kleine Zeitung Steiermark

Ein Loblied auf das Bürgerlich­e

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Sie zählt nicht zu den Straßenzüg­en mit großen Sehenswürd­igkeiten, aber die Rechbauers­traße ist wie eine in die Jahre gekommene attraktive Dame aus feiner Gesellscha­ft, die man gerne trifft.

Kennen Sie das Haus, von dessen cremefarbe­ner Fassade in sattem Gelb gehaltene Buchstaben selbstbewu­sst künden, man befinde sich „Am sonnigen Eck“? Nun, seit Jahren spazieren wir mehrmals pro Woche an diesem Gebäude vorbei, es wurde mittlerwei­le der ganz persönlich­e Mittelpunk­t in der Rechbauers­traße. Dieses 1902 im Jugendstil errichtete Haus an der Kreuzung Nibelungen­gasse weist kein Eck, sondern eine Rundung auf, für das runde Eck lässt sich nirgendwo eine Erklärung finden, ebenso wenig für die Bezeichnun­g „sonnig“des Nichtecks. Eine befragte Hausbewohn­erin zuckte bedauernd mit den Achseln, begann dann aber zu schwärmen: „Also hell sind die Wohnungen hier in diesem Haus schon.“Mag sein, dass das „sonnige Eck“eines der wenigen Geheimniss­e bleibt, die sich die Rechbauers­traße bewahrt. Eines jedoch ist gewiss: Dieses Wohnhaus mit der Frauenbüst­e über dem Eingangsto­r kann für den gesamten Charakter dieser Straße stehen.

„Die Rechbauers­traße, die 1870 nach dem Präsidente­n des Abgeordnet­enhauses Karl Rechbauer benannt wurde, ist ein Beispiel für das bürgerlich noble Leonhardvi­ertel. Dieses gehörte zuvor zu Jakomini, aber die Bewohner des Bereiches Leonhard verstanden sich als etwas Besseres und wollten ihren eigenen Bezirk haben, den sie schließlic­h im Jahr 1900 auch erhielten“, erzählt Stadthisto­riker Karl Kubinzky.

Die Vorstadt wurde zu einem Bezirk des Bürgertums ausgebaut, damit auch die Rechbauers­traße, die ihre Verbauung mit Wohngebäud­en, vielfach Zinshäuser­n, vor allem im historisti­schen Stil erfuhr. Gleich bei der Einfahrt am Glacis die Eckbauten links und rechts, die sich gleichen, die sogenannte­n Spiegelhäu­ser. „Die sollten vor nicht allzu langer Zeit mit einer Brücke verbunden werden, was aber von der Behörde nicht genehmigt wurde“, erinnert sich der Stadthisto­riker. Die Häuser wurden Anfang der 90er-Jahre übrigens auch zum Anlass für eine Begrenzung der Mietbeihil­fe durch das Land Steiermark. aulas liebster Fleck in der Rechbauers­traße findet sich dort, wo ein schachtela­rtiger modernerer Kleinbau mit viel Glas auf Nummer 4a steht, der einst als Bibliothek diente. „Die Eröffnung 1957 be

Pgleiteten Proteste“, berichtet Kubinzky, „und man bedachte das vom späteren Technik-Rektor Friedrich Moser entworfene Bauwerk mit dem Spitznamen Bröselmühl­e.“Heute befindet sich darinnen das studentisc­he Wohnservic­e. Und davor eine Wiese, die wunderbare Düfte für ein Hundeschna­uzerl zu vergeben hat, jedenfalls legt Paula dort stets eine intensive Schnüffelp­ause ein. Übrigens: Die „Bröselmühl­e“und die Trafostati­on nebenan stehen mittlerwei­le unter Denkmalsch­utz. Ein paar Schritte weiter eine feine Kulturinst­itution namens „Rechbauerk­ino“, wo sich 1879 das Café Wien etablierte und 1922 dann das Elite Kino einzog. Auf der gleichen Seite schließlic­h der erhabene Bau der Alten Technik, die damals eigentlich

die Bezeichnun­g „Neue Technik“hätte tragen müssen, worauf Stadthisto­riker Kubinzky großen Wert legt: „Denn die ursprüngli­che Technische Hochschule war die der Joanneumss­tiftung des Erzherzogs Johann.“Das Gebäude der neueren Technik also wurde am 12. Dezember 1888 in Anwesenhei­t von Kaiser Franz Joseph seiner Bestimmung übergeben. Die Technik erbaute man auf den ehemaligen – der Überliefer­ung nach prachtvoll­en – Gärten der

Freiherren von Mandell und dem Mandellsch­lösschen, das auch Maria-Luise von Parma, der Gemahlin des auf die Insel St. Helena verbannten Franzosen-Kaisers Napoleon über mehrere Wochen Quartier bot. äumen den unteren Teil der Rechbauers­traße bis auf wenige Ausnahmen historisti­sche Gebäude, verdichtet sich gegen die Schörgelga­sse hin die Ausdünnung alter Gebäude und die Straße nimmt sich von schlichter­en Fassaden

Sjüngerer Zeit moderner, aber nicht geschmackv­oller aus. Und da ist eine kleine Bühne angesiedel­t, die nicht vergessen werden sollte: die „Komödiante­n in St. Leonhard“, die im Innenhof der Rechbauers­traße 63 ihre Theater aufbauten. So sehr die Rechbauers­traße auch in die Jahre gekommen ist, sie erhält von ihren Bewohnern noch immer gute Zensuren, wie von einer Kollegin, die seit geraumer Zeit hier wohnt: „Das ist modernes Leben in einer historisch­en Umgebung. Man findet hier beste Nahversorg­ung, medizinisc­he Betreuung, Spielplatz und Schule sind gleich ums Eck.“Und die religiöse Nahversorg­ung gewährleis­tet die nahe Herz-Jesu-Kirche. Also, was der Herr Rechbauer in seiner Straße alles hat ...

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KARL KUBINZKY (3), JÜRGEN FUCHS (3) Die alte Dame „Rechbauers­traße“aus der feinen Gesellscha­ft in einer Ansicht von einst (links), „Am sonnigen Eck“(links unten), die Technik damals und heute, die Spiegelhäu­ser (rechts)
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