Nähert sich die Koalition schon der Halbzeit?
Der Kanzler schwächelt, der Gesundheitsminister sowieso und Umfragen zeigen: Das Vertrauen der Bevölkerung sinkt.
Am Samstag hat die Regierung im frühlingshaften Wien einen wirtschaftlichen „Comebackplan“vorgestellt, der den Wiederaufbau zum Ziel hat. Ob die wärmende Frühlingssonne der Regierung auch weiterhin gewogen ist oder ob dunkle Wolken aufziehen, ist derzeit noch unklar, das politische Klima ist so wechselhaft wie das April-Wetter.
Die nächste Nationalratswahl steht 2024 an – übrigens auch die nächste Europawahl. Ob die türkis-grüne Koalition die gesamte Legislaturperiode durchhält, ist fraglich. Die meisten politischen Kommentatoren gehen davon aus, dass in der Krise keine Trennung möglich ist und Türkis-Grün die nächsten Monate eisern durchhält. Meinungsforscher Peter Hajek hat jedoch in einer aktuellen Umfrage für ATV erhoben, dass die Mehrheit der Österreicher nicht mehr glaubt, dass die Koalition bis zur nächsten Wahl Bestand hat.
Hajek befragte 800 Österreicherinnen und Österreicher, ob sie der Ansicht sind, dass die Koalition, bestehend aus ÖVP und Grünen, bis zum Ende der Legislaturperiode 2024 halten Eine Mehrheit von 52 Prozent verneint. Im Gegensatz zu 40 Prozent, die meinen, dass das Bündnis „ganz sicher“bis „eher ja“halten wird.
Im Vergleich zu einer Umfrage von Unique Research im Auftrag von „profil“im März 2021 hat das Vertrauen in das Bestehen der Koalition abgenommen. Im März waren noch 47 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher der Meinung, dass die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode halten wird, 44 Prozent nicht.
„Auch die grüne Wählerschaft schwächelt, aber immerhin noch drei von vier ÖVPWählern glauben daran, die derzeit schwierige Situation überwinden zu können“, sagt Hajek. nsbesondere Kanzler Sebastian Kurz hat seine Strahlkraft verloren: Im Vertrauensindex sackte er auf Platz 4 ab, ex aequo mit der Zweiten Parlamentspräsidentin Doris Bures (SPÖ). Arbeitsminister Martin Kocher und Justizministerin Alma Zadic´ (Grüne) liegen hinter dem Bundespräsidenten, aber vor dem Kanzler. Ebenfalls abgeschlagen Ge
Isundheitsminister Rudolf Anschober, aber dessen größeres Problem ist seine angeschlagene Gesundheit. Seit einem Jahr läuft der Oberösterreicher einen Dauer-Marathon. Die Ausfälle häufen sich. orona hält die Regierung in Atem und lässt die Bevölkerung immer weniger an sie glauben. Interessant ist, dass gleichzeitig die Rot-Pinke Regierung in Wien fest im Sattel sitzt: Fast jeder zweite Wiener findet, die Corona-Maßnahmen im Osten Österreichs sind noch immer zu wenig streng (Matzka-Meinungsforschung im Auftrag der Regional TV Austria GmbH). Die Botschaft des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ) ist angekommen: Knapp drei Viertel der Wienerinnen und Wiener befürworten Ludwigs Rat, Sozialkontakte einzuschränken. 6 von 10 Wienerinnen und Wienern wären bei anhaltend steigenden Corona-Zahlen sogar mit weitewird.
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ren, strengeren Maßnahmen einverstanden. er Lohn für das gut funktionierende Corona-Management: 67 Prozent der Bevölkerung würden Ludwig bei einer Direktwahl zum Bürgermeister wählen. Auch die Neos genießen Rückhalt für ihre Politik.
Die Bundesregierung spürt den Negativtrend und hält dagegen: Mit einer Selbstverteidigungselegie in Sachen SMS-Affäre, mit dem Versprechen auf einen baldigen Wiederaufbau, mit der Ankündigung, wieder einmal – das Rezept ist erprobt – bei der Asylpolitik die Messer zu wetzen. Flüchtlinge will Innenminister Karl Nehammer jetzt direkt aus Bosnien zurückführen, noch ehe sie EU-Territorium erreicht haben, wie er gestern in der ORF-Pressestunde sagte. Eine Lösung für das Dilemma, dass Österreich der Signale wegen zahlreiche junge Leute abschiebt, die zwar kein Asyl be
Dkommen, aber als Arbeitskräfte dringend gebraucht würden, bot der Innenminister keine an. Im innersten (ÖVP-)Kreis ist man sicher, alles richtig zu machen, auch wenn man die „Irritationen“zu verstehen meint. Weniger sicher ist man sich bei den Grünen – allein: Die Alternative fehlt. Das Zurück in die Opposition scheint wenig reizvoll.
Und auf der Straße wird Corona-demonstriert. Es sind wenige, die aber sind laut. Die Grundbefindlichkeit, die Unzufriedenheit mit dem Impf-Management und mit der eigenen Situation, die wird von einer Mehrheit der Bevölkerung geteilt.
Seit gut einem Jahr ist die Regierung im Amt. In einem Jahr wäre Halb(werts)zeit: Bei Beobachtern drängt sich der Verdacht auf, der brüchige Kitt zwischen ÖVP und Grünen könnte schon jetzt zur Hälfte zerbröselt sein.