Kleine Zeitung Steiermark

Ich will nicht von „Trotteln“regiert werden

- Irmgard Griss

Aber er hat ja nichts an“, ruft das kleine Kind im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“von Hans Christian Andersen. Da trauen sich die Menschen endlich, das zu sagen, was sie bisher nicht gewagt haben auszusprec­hen. Nämlich die schlichte Wahrheit, dass der Kaiser nicht prächtig gekleidet, sondern splitterna­ckt ist. Die Rolle des kleinen Kindes haben in der „Chat-Geschichte“die Chats des Alleinvors­tandes der Öbag. Sie lassen die Fassade löchrig werden, die PR-Fachleute für die türkise Regierungs­partei errichtet haben. Was wird dahinter sichtbar? Ein Verhalten, das inakzeptab­el ist? Oder ist das Einzige, was man den handelnden Personen vorwerfen kann, dass sie Trottel sind? Das meint ein früherer ÖVP-Chef; so wird er jedenfalls in den Worten der „Woche“zitiert. Als „Trottel“wird laut Duden ein einfältige­r, dummer, ungeschick­ter Mensch bezeichnet. Haben die handelnden Personen mit ihren Äußerungen gezeigt, dass sie einfältig, dumm, ungeschick­t sind? Oder ist damit gemeint, dass es einfältig, dumm, ungeschick­t war, schriftlic­h festzuhalt­en, wie sie ihren eigenen Vorteil suchen und über andere denken? Wäre es klüger gewesen, all dies unter vier Augen zu besprechen? Ist daher nicht der Inhalt zu kritisiere­n, sondern die Art und Weise, wie miteinande­r kommunizie­rt wurde? Wer die Sache so sieht, für den ist Politik ein schmutzige­s Geschäft. Ein (Vor-)Urteil, das weitverbre­itet ist. Es führt dazu, dass die mit den Chats dokumentie­rte Einstellun­g und Vorgangswe­ise achselzuck­end hingenomme­n werden. Damit ist auch sichergest­ellt, dass sich nichts ändern wird. Dabei sollte es ja selbstvers­tändlich sein, dass es für ein politische­s Amt nicht genügt, dass jemand nicht gegen das Strafgeset­z verstößt, auch wenn er knapp daran vorbeischr­ammt. Das Strafgeset­z ist die äußerste Grenze; wer ein öffentlich­es Amt innehat, für den müssen moralische Standards mit höheren Anforderun­gen an Anstand und Wohlverhal­ten gelten. Aber selbst wenn das zu hoch gegriffen wäre, so kann ich jedenfalls für mich sagen, dass ich nicht von Trotteln, welcher Art immer, regiert werden möchte.

war Präsidenti­n des Obersten Gerichtsho­fs und Abgeordnet­e zum Nationalra­t der Neos

„Wer ein öffentlich­esAmtinneh­at, für den müssen moralische Standards mit höheren Anforderun­gen an Anstand gelten.“

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