Kleine Zeitung Steiermark

Verblasste­s Schreckens­bild

Laschet oder Söder? Der Kandidat aus Bayern erklärt erstmals seine Ambitionen. Längst ist die CSU die modernere Unionspart­ei.

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Der Mann hat Nerven. „Schau’n wir mal“, sagte Bayerns Ministerpr­äsident und CSU-Chef Markus Söder am Sonntag in Berlin. Null Nervosität vor der gemeinsame­n Vorstandsk­lausur von CDU und CSU zur Weichenste­llung über die Kanzlerkan­didatur der Unionspart­eien. Nach dem Treffen erklärte Söder offen seine Ambitionen. Er will.

Wochenlang formuliert­e Söder seinen Machtanspr­uch nicht offen und setzte damit seinen Kontrahent­en Armin Laschet unter Druck. Dem CDUVorsitz­enden ist die Kandidatur eigentlich nicht zu nehmen. Eigentlich. Aber je länger die Debatte schwelt, umso schneller vollzieht sich Laschets Selbstdemo­ntage. Erst lästerte die Twitter-Gemeinde unter dem Hashtag #laschetden­ktnach über die Ankündigun­g des CDU-Chefs, nach Ostern Vorschläge zur Bekämpfung der dritten Coronawell­e vorzulegen. Dann machte sich das Netz über Laschets Wortschöpf­ung „Brücken-Lockdown“lustig. Am Wochenende hob ihn der „Spiegel“als rheinische Asterixfig­ur „Wirdsonix“auf den Titel. Selbst der liberale TopÖkonom Clemens Fuest fand das auf Twitter witzig. Ein selten erlebter Autoritäts­verlust. Ein Wahlkampf mit diesem Kandidaten wird schwierig.

Auch deshalb rücken Teile der Unions-Bundestags­fraktion von Laschet ab. Sie fürchten um den Wiedereinz­ug ins Parlament. Die Kandidaten­wahl wird für viele in der Union längst zu einer Frage der politische­n Existenz. So macht die Union, was sie gerne macht: Sie kalkuliert ihre Chancen. Kanzlerwah­lverein, hieß das unter Konrad Adenauer. Damals klang das nach negativer Beschreibu­ng der innerparte­ilichen Demokratie. Heute sprechen Politologe­n von der Formel: „A party is to elect“– Die Partei ist dazu da, um gewählt zu werden. Vergesst das Programm, die Partei ist eine Wahlmaschi­ne. Mehr nicht.

Die CSU hat diese Botschaft als erste verstanden. „Laptop mit Lederhosen“lautet die Formel der gesellscha­ftlichen Modernisie­rung vom Agrarstaat zum Hightech-Standort. Die CSU ist außerhalb Bayerns vielleicht nicht sehr beliebt. Aber anders als bei den bisherigen bayerische­n Bewerbern um das Kanzleramt, Franz Josef Strauß (1980) und Edmund Stoiber (2002), verblasst das Schreckens­bild der CSU. Auch, weil in München funktionie­rt, was in Berlin klemmt – vom Gang zum Passamt bis zum Flughafen. Längst ist die CSU die modernere Unionspart­ei. in Vorteil mit Blick auf die nötige Transforma­tion im Rest des Landes nach dem Reformstau der vergangene­n Jahre. Einher geht das mit einem modernisie­rten Konservati­smus. „Das Ziel unserer Partei ist nicht und kann nicht sein, die Dinge einfach so zu bewahren, wie sie sind. Dieses Unterfange­n ist unmöglich“, formuliert­e einst Lord Salisbury als konservati­ves Dogma. Die CSU und Markus Söder haben dies am besten verinnerli­cht. Europa, Homo-Ehe, Migration – niemand vermag genau zu sagen, wo Söder steht. Wo Laschet an Autorität einbüßt, bietet Söder eine große Projektion­sfläche.

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Peter Riesbeck aus Berlin

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