Kleine Zeitung Steiermark

„Wir müssen Leute noch nicht sterben lassen“

- Michael Jungwirth

Es sind die Momente, die jeder Pfleger, der auf einer Covid-Intensivst­ation arbeitet, fürchtet. „Meistens geht es ganz schnell“, erzählt der 25jährige Pfleger, der in einem Wiener Gemeindesp­ital tätig ist, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. „Innerhalb weniger Stunden verschlech­tert sich der Zustand so rapid, dass man den Patienten in einen künstliche­n Tiefschlaf versetzen und intubieren muss.“Diesem Schritt geht im Regelfall ein Gespräch mit dem Patienten voraus, das an Dramatik kaum zu überbieten ist. „Die Leute haben panische Angst, fragen, ob es wirklich nötig ist, wollen noch schnell ihre Angehörige­n sprechen.“Letzte Woche traf es einen 50-Jährigen, der seine Frau sprechen wollte. „Wir haben sie via Facetime angerufen. Sie war den Tränen nahe und wollte verzweifel­t wissen, ob er das überstehen wird.“Oder eine 39-jährige Mutter, die übergewich­tig war, aber keine Vorerkrank­ungen hatte und sich mit ihrem Mann verbinden ließ, der mit den beiden kleinen Kindern zu Hause war. „Sie hatte schrecklic­he Angst. Weil er in Quarantäne war, konnte er nicht einmal zu ihr.“Was den Pfleger so erschütter­t: „Das sind alles Leute, die mitten im Leben, im Beruf stehen, Familie haben und dann plötzlich hier liegen.“

Thomas Staudinger, Chef der Intensivst­ation am AKH, meint im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: „Der Lockdown hat uns bewahrt, dass wir in eine Katastroph­e geschlitte­rt sind.“Die Lage sei „extrem kritisch“, allerdings sei man „noch nicht gegen die Wand gefahren.“Noch nie seien so viele Herz-Lungen-Maschinen in Wien im Betrieb gewesen, das AKH habe gerade zehn neue Maschinen gekauft. Und zur Frage, ob man bereits zur Triage übergehen müsse: „Wir sind noch nicht so weit, dass wir die Menschen sterben lassen müssen.“ benden Blutplättc­hen scheinbar aktiviert werden. Das kann dazu führen, dass Blutplättc­hen sich an den Gefäßen anheften und damit unterschie­dliche Thrombosen auslösen.

Wien verlängert Lockdown bis 2. Mai – wegen dramatisch­er Lage in Spitälern. Ein Bericht.

Wie konnte man so schnell die Ursache finden?

ANTWORT: Die „heiße Spur“, welcher die Wissenscha­ftler folgten, war eine gewisse Ähnlichkei­t der vorliegend­en Fälle mit selten Komplikati­onen, die bei einem Einsatz des Gerinnungs­hemmers Heparin auftreten können: Doch „keiner der Patienten hatte vor dem Auftreten der Symptome oder der Diagnose einer Thrombose Heparin erhalten“, heißt es vonseiten der Experten. Da das klinische Erscheinun­gsbild stark einem von Heparin ausgelöste­n Blutplättc­henmangel ähnelte, wurden sofort Blutserump­ro

ben untersucht. Diese zeigten, dass alle Betroffene­n Antikörper gegen den Blutplättc­henfaktor 4 hatten. Auch eine verstärkte Aktivierun­g der übrigen Blutplättc­hen konnte durch die Untersuchu­ng nachgewies­en werden.

Wie häufig treten Thrombosen nach der Covid-19-Impfung mit AstraZenec­a auf?

ANTWORT: Laut dem Angiologen Thomas Gary handelt es sich dabei um ein seltenes Phänomen: „Bei nur ungefähr einer von 100.000 Impfungen kommt es zu Thrombosen.“Außerdem sei das Thromboser­isiko bei einem schweren Covid-Verlauf um ein Vielfaches höher als bei der Impfung. Die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur (EMA) hielt vergangene Woche klar fest, dass die Vorteile der Impfung weitaus überwiegen.

Was ist zu tun, wenn man den Verdacht auf eine Thrombose hat?

ANTWORT: Treten ein bis zwei Wochen nach der Impfung Schmerzen, etwa sehr starke Kopfschmer­zen, und Schwellung­en auf, sollte man den Hausarzt aufsuchen. Dieser kann durch eine Blutunters­uchung eine weitere Abklärung vornehmen und auch mögliche andere Erkrankung­en erkennen bzw. ausschließ­en. „Erhärtet sich der Verdacht, wird eine Ultraschal­luntersuch­ung Klarheit bringen“, erklärt Gary.

Können Thrombosen behandelt werden?

ANTWORT: Ja. Steht die Diagnose, folgt laut dem Angiologen meist eine blutverdün­nende Therapie – die nicht auf Heparin basiert. Auch hoch dosiertes Immunglobu­lin kann zum Einsatz kommen.

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ADOBE STOCK (2) In seltenen Fällen scheint die Impfung mit AstraZenec­a einen Mangel an Blutplättc­hen zur Folge zu haben
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