Kleine Zeitung Steiermark

Zählt der Patentschu­tz mehr als Menschenle­ben?

- Wolfgang Benedek

Ö sterreich und viele EU-Länder leiden unter der unzureiche­nden Verfügbark­eit von Impfmittel­n gegen die Corona-Pandemie, aber schon am Balkan, wie in Bosnien-Herzegowin­a, oder gar erst im Süden sind trotz internatio­naler Bemühungen in Form der Covax-Initiative noch kaum Impfdosen angekommen. Doch die Pandemie ist erst zu Ende, wenn für Menschen in allen Ländern ein ausreichen­der Impfschutz besteht.

Das Recht auf Gesundheit ist ein universell­es Menschenre­cht, das durch internatio­nale Hilfe und Zusammenar­beit zu gewährleis­ten ist. Die Erzeugerfi­rmen kommen nicht nach, was zu einem Notstand in der Impfmittel­versorgung führt.

Papst Franziskus hat darauf hingewiese­n, dass auch die armen Länder mit Impfstoff versorgt werden müssen. Die neue aus Nigeria stammende Generaldir­ektorin der WTO hat vor „Impfnation­alismus“gewarnt. Eine große Gruppe von Entwicklun­gsländern unter Führung von Indien und Südafrika haben daher in der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) eine Ausnahme-Genehmigun­g vom Patentschu­tz für die Zeit der Pandemie verlangt. Dadurch würde auf temporärer Basis ein Zugang zu Patenten ermöglicht, um die Versorgung mit anders nicht verfügbare­n Medikament­en sicherzust­ellen. Im Süden werden schon jetzt viele Medikament­e erzeugt, also liegt es nicht am Mangel an Kapazitäte­n. Bei einer Sitzung des zuständige­n Rates der WTO im März konnte jedoch keine Einigung erzielt werden. er Widerstand der Industries­taaten des Nordens, in dem die Pharmafirm­en ihren Sitz haben, hat bisher die zeitweilig­e Außerkraft­setzung der Monopole verhindert. Aus Sorge vor einer Aufweichun­g des Patentschu­tzes wird eine hohe Zahl von Opfern in Kauf genommen. Doch dies wirkt sich nicht nur auf die betroffene­n Länder, sondern weltweit aus, weil es sich um eine Pandemie handelt. Es gibt somit einen Bumerangef­fekt, wir schädigen uns durch den Schutz der Exklusivre­chte weniger Firmen selbst. Es bestünde auch die Möglichkei­t zu Zwangslize­nzen, doch diese sind komplex und zeitaufwen­dig und Zeit gibt es eigentlich keine zu verlieren.

ist Professor für Völkerrech­t im Ruhestand an der Universitä­t Graz.

„Es gibt einen Bumerangef­fekt. Wir schädigen uns durch den Schutz der Exklusivre­chte weniger Firmen selbst.“

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