Zählt der Patentschutz mehr als Menschenleben?
Ö sterreich und viele EU-Länder leiden unter der unzureichenden Verfügbarkeit von Impfmitteln gegen die Corona-Pandemie, aber schon am Balkan, wie in Bosnien-Herzegowina, oder gar erst im Süden sind trotz internationaler Bemühungen in Form der Covax-Initiative noch kaum Impfdosen angekommen. Doch die Pandemie ist erst zu Ende, wenn für Menschen in allen Ländern ein ausreichender Impfschutz besteht.
Das Recht auf Gesundheit ist ein universelles Menschenrecht, das durch internationale Hilfe und Zusammenarbeit zu gewährleisten ist. Die Erzeugerfirmen kommen nicht nach, was zu einem Notstand in der Impfmittelversorgung führt.
Papst Franziskus hat darauf hingewiesen, dass auch die armen Länder mit Impfstoff versorgt werden müssen. Die neue aus Nigeria stammende Generaldirektorin der WTO hat vor „Impfnationalismus“gewarnt. Eine große Gruppe von Entwicklungsländern unter Führung von Indien und Südafrika haben daher in der Welthandelsorganisation (WTO) eine Ausnahme-Genehmigung vom Patentschutz für die Zeit der Pandemie verlangt. Dadurch würde auf temporärer Basis ein Zugang zu Patenten ermöglicht, um die Versorgung mit anders nicht verfügbaren Medikamenten sicherzustellen. Im Süden werden schon jetzt viele Medikamente erzeugt, also liegt es nicht am Mangel an Kapazitäten. Bei einer Sitzung des zuständigen Rates der WTO im März konnte jedoch keine Einigung erzielt werden. er Widerstand der Industriestaaten des Nordens, in dem die Pharmafirmen ihren Sitz haben, hat bisher die zeitweilige Außerkraftsetzung der Monopole verhindert. Aus Sorge vor einer Aufweichung des Patentschutzes wird eine hohe Zahl von Opfern in Kauf genommen. Doch dies wirkt sich nicht nur auf die betroffenen Länder, sondern weltweit aus, weil es sich um eine Pandemie handelt. Es gibt somit einen Bumerangeffekt, wir schädigen uns durch den Schutz der Exklusivrechte weniger Firmen selbst. Es bestünde auch die Möglichkeit zu Zwangslizenzen, doch diese sind komplex und zeitaufwendig und Zeit gibt es eigentlich keine zu verlieren.
ist Professor für Völkerrecht im Ruhestand an der Universität Graz.
„Es gibt einen Bumerangeffekt. Wir schädigen uns durch den Schutz der Exklusivrechte weniger Firmen selbst.“
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