„Wir rasen auf die roten Linien zu“
Die FAZ nannte ihn einen „Philosophen der Apokalypse“. In der Pandemie sieht Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber Chancen für die Klimapolitik: „Sie eröffnet uns neue Handlungsmöglichkeiten.“
2020 wurden knapp sechs Prozent der Emissionen eingespart. Ein willkommener Einschnitt fürs Klima, aber beileibe keine Klimarettung. Die Coronakrise erschütterte unsere Gewohnheiten und Denkmuster, wie etwa die Expansion der Kreuzfahrtindustrie, Kurzflüge und der Massentourismus. Viele werden nun erkennen: Das war nicht die Art des Reisens, die wir eigentlich wünschen. Ein Teil der Bevölkerung wird sich neu orientieren.
Aber reicht das, um den Pendelschlag zurück zu verhindern?
Es ist jetzt möglich, Dinge zu denken, die vor zwei Jahren unvorstellbar waren. Damals forderte ich das Verbot von Inlandsflügen in Deutschland – und wurde verwundert angesehen. Heute darf man radikalvernünftige Forderungen aussprechen, ohne sofort kritisiert zu werden. Nach der Finanzkrise wurde das Klimathema weggewischt – das passiert jetzt nicht mehr, die Pandemie eröffnet der Klimapolitik neue Handlungsmöglichkeiten. Corona wird unser Leben als Zivilisation daher nachhaltig verändern. Wir haben bisher 2,8 Millionen Tote durch die Pandemie, es werden tragischerweise noch mehr werden. Wir haben aber auch jedes Jahr acht Millionen Tote allein durch Luftverschmutzung, darunter viele Säuglinge. Beide Krisen sind dramatisch und erfordern resolutes Handeln.
E-Mobilität nimmt mehr Fahrt auf, als man es vor ein paar Jahren erwartet hatte. Ein Verdienst von Tesla-Chef Elon Musk, weil er EAutos sexy gemacht hat?
Absolut. Es ist eine sehr umständliche und energieverschwenderische Art, sich fortzubewegen, indem ich einen Kolben durch eine Explosion antreibe und das in eine Rollbewegung übersetze. Das macht der Verbrennungsmotor mit einer Effizienz von maximal 30 Prozent. Der Elektromotor von Werner von Siemens aus dem 19. Jahrhundert hat eine Effizienz von 95 Prozent. Es scheint mir unsinnig, zwei Drittel der Energie durch den Auspuff zu jagen. Man versuchte sich das lange schönzureden. Jetzt ist dieses Umdenken auch bei der deutschen Automobilindustrie angekommen. Wenn Musk nicht so überzeugt seinen „Californian Dream“leben würde, hätte es wohl fünf Jahre länger gedauert. Fünf Jahre sind für das Klima aber enorm wichtig.
Die Klimakrise mache Sie manchmal schlaflos, sagten Sie. Wie schlafen Sie heute?
Mein Schlaf ist ein bisschen ruhiger geworden, weil ich das Gefühl habe, wir sind mit unserer Mission durchgedrungen.