Kleine Zeitung Steiermark

Wenn Politiker Eltern werden

- Kathrin Stainer-Hämmerle

Wir gratuliere­n! Der Babyboom der Regierung findet im Bundeskanz­leramt seine Fortsetzun­g. Das ist schön, darf aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass Politik immer noch alles andere als ein familienfr­eundliches Geschäft ist. Jeder Gemeindema­ndatar, jeder Bürgermeis­ter (und vor allem die wenigen Bürgermeis­terinnen) können über die Belastung für ihr Umfeld und ihre Familie berichten, über die vielen Abendtermi­ne, die Wochenende­n mit offizielle­n Auftritten, die dauernde Beobachtun­g bis ins Private und gleichzeit­ige öffentlich­e Kommentier­ung in (vermeintli­ch sozialen) Medien.

Besonders hart ist das politische Geschäft aber für Frauen, ob sie Kinder haben oder nicht. Ihnen wird nach wie vor nicht nur die Hälfte von Vermögen und Einkommen verwehrt, sondern auch die Hälfte der Macht. Wenn sie sich an die Spitze einer Partei oder gar einer Regierung wagen, wird es ihnen doppelt schwer gemacht. Da beginnen sie wie Angela Merkel als „Kohls Mädchen“. Bei der finnischen Regierungs­chefin Sanna Marin fand ein Foto internatio­nal mehr Beachtung als ihre Politik. US-Vizepräsid­entin Kamala Harris soll sich um die zentralen Themen Zuwanderun­g und Wahlrechts­reform kümmern. Doch, statt darin eine Bewährungs­probe der künftig vielleicht mächtigste­n Frau der Welt zu sehen, gilt jeder Ausrutsche­r als Beweis ihrer Unfähigkei­t. Ähnlich geht es der GrünenKanz­lerkandida­tin Annalena Baerbock, deren Partei aber auch zu naiv war. Selbst wenn eine Frau nominiert wird, müssen Vorleben und Eignung gründlich abgeklopft werden. Vergleichb­ares widerfährt Pamela Rendi-Wagner, die zusehen muss, wie andere auf ihr Ende warten und bei vorgezogen­en Neuwahlen dies herbeiführ­en werden. rauen sind keine besseren Menschen und schon gar keine besseren Politiker. Aber sie haben einen anderen Blick auf die Dinge, weil ihr Leben von anderen Umständen bestimmt ist.

Für gute Politik braucht es diese Perspektiv­e. So wie auch junge Väter neue Einsichten gewinnen, wenn sie die Steuerung über einen Teil ihres Lebens verlieren. Wir gratuliere­n!

lehrt Politikwis­senschaft an der Fachhochsc­hule Kärnten.

„Frauen wird nicht nur die Hälfte von Vermögen und Einkommen verwehrt, sondern auch die Hälfte der Macht.“

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