Tina und Leonie
Mitten in eine spannungsgeladene Asyl- und Fremdenrechtsdebatte legt die Kindeswohlkommission von Irmgard Griss ihren Endbericht vor. Er gibt Anlass zu Hoffnung.
Tina und Leonie – zwei Mädchen, deren Schicksale nichts gemein haben, aber Ähnliches auslösten: Schock, Empörung, Wut – und eine Diskussion über Asylgesetze.
Die zwölfjährige Tina wurde in einer Jännernacht nach Georgien abgeschoben, obwohl sie in Österreich geboren und aufgewachsen war. Es folgten Protest aus der Zivilgesellschaft, ein Misstrauensantrag gegen den Innenminister, eine Regierungskrise. Die dreizehnjährige Leonie wurde im Juni ermordet, mutmaßlich von afghanischen Asylwerbern, wovon zumindest einer trotz Straffälligkeit nicht abgeschoben wurde, weil er minderjährig war. Es folgten kollektives Entsetzen, Schuldzuweisungen, die Forderung nach mehr und schnelleren Abschiebungen.
Eigentlich taugen beide Fälle nicht, um das Asylsystem an sich zu kritisieren: In Tinas Fall war die Abschiebung juristisch in Ordnung, der Fall über mehrere Jahre ausjudiziert. Im Fall des tatverdächtigen (und mittlerweile volljährigen) Asylwerbers ist der am schwersten wiegende Vorwurf, den man Behörden machen kann, dass es zu lange dauerte, um zu einer Entscheidung zu kommen. Aber beide Fälle zeigen, dass nicht die Rechtslage das Problem ist, sondern ihre Anwendungspraxis. Und die Fälle zeigen das gesamte spannungsgeladene Spektrum, in dem sich Asylund Fremdenrecht bewegen.
Zwischen dem Einsetzen der Kindeswohlkommission durch Interimsjustizminister Werner Kogler und deren Berichtslegung kurz nach Leonis Tod hat sich der Asyldiskurs gedreht. Das verdeutlicht, wie wichtig der nüchterne Blick auf das Thema ist.
Denn der Bericht der Kindeswohlkommission legt den Finger in wichtige Wunden: Dass es österreichweit keine einheitlichen Regeln für die Obsorge von minderjährigen Flüchtlingen gibt, ist ein Missstand, der dringend behoben gehört. Dass kleine Kinder vor dem Gesetz als besonders anpassungsfähig
Betreff: Genau lesen ist die Devise gelten und Abschiebungen für sie deshalb nicht so einschneidend sein sollen, ist aus psychologischer Sicht nicht nachvollziehbar. elbst wenn die Kommission ursprünglich ins Leben gerufen wurde, um die grüne Basis zu beschwichtigen und den türkis-grünen Koalitionsfrieden zu retten (und obwohl das Innenministerium zeitgleich einen eigenen Bericht veröffentlicht, der zumindest in Teilen eine andere juristische Meinung vertritt): Es ist gut, dass die Regierung das hochemotionale Thema Asyl zumindest im Hintergrund mit Sachlichkeit angeht. Je mehr Daten es gibt, desto treffsicherer können Entscheidungen gefällt werden. Je nachvollziehbarer die Strukturen sind, desto weniger tragische Einzelfälle gibt es. Und je klarer die Richtlinien sind, desto besser weiß jeder Verwaltungsbeamte und jede Sachbearbeiterin, was er oder sie berücksichtigen muss.
Auch wenn die Debatte stets durch Anlassfälle angeheizt wird: Es ist die Aufgabe der Politik, Lösungen zu finden, die über den Einzelfall hinausgehen.
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