Ein außergewöhnlicher Liebesbrief an den Journalismus
Wes Anderson schweift in „The French Dispatch“durch die Ressorts einer Magazin-Redaktion. Mia Hansen-Løve liefert eine Bergmann-Hommage, Kirill Serebrennikow einen Fiebertraum.
Normalerweise reicht eine Limousine, um die größten Stars eines Films in Cannes vorzufahren. Manchmal zwei. Höchstens drei. Regisseur Wes Anderson hat aber wie bei all seinen Filmen auch für seinen Wettbewerbsbeitrag „The French Dispatch“so viele Stars zusammengetrommelt, dass er damit ein ganzes Festival versorgen könnte – und die sind alle zusammen in einem goldweißen Partybus zum CannesPalais gekommen.
war als Erster zu sehen. Als der Bus anhielt, stiegen noch ein Dutzend weiterer bekannter Gesichter aus, neben Anderson unter anderem
Owen Wilson, Adrien Brody, Benicio del Toro, Jarvis Cocker Tilda Swinton.
und „Das Kino ist nicht weg. Jeder, der behauptet, Kino sei tot – vergiss es!“, sagt die 60-jährige Britin auf dem roten Teppich in einem abenteuerlichen Farbmix aus Rot-PinkGrüngold. Der größte Hingucker war aber trotzdem wohl
in einem sexy Silberanzug.
Dass wegen einer Corona-Infektion nicht anreisen konnte, fiel da gar nicht auf – genauso wie die Tatsache, dass in „The French Dispatch“noch weitere Stars von Waltz bis mand in einzelnen Geschichtchen aufkreuzen. Anderson verfilmt schließlich eine Ausgabe von „The French Dispatch“(Die französische Depeche), einer fiktiven Wochenbeilage in Kansas, die aber von Amerikanern in Frankreich produziert wird.
Von Politik bis Kulinarik schweift der 52-jährige Texaner durch die Ressorts und inszeniert all das mit seiner ganz eigenen exzentrischen Handschrift, die man nach Filmen wie „The Royal Tenenbaums“oder „Grand Budapest Hotel“auch hier schon vom ersten Bild an erkennt. Streng kontrolliert und überlegt bis ins allerletzte Detail, abgefüllt mit komischen bis absurden Ideen, die in einem Wechsel aus Schwarz-Weiß, Farbe und Zeichentrick vorbeiziehen.
Und doch, so amüsant und visuell genial das wieder ist, schafft dieser Stil per se eine Distanz zum Publikum und läuft, wenn die Ideen stellenweise nicht so hoch getaktet kommen, zwischenzeitlich etwas leer. Ein außergewöhnlicher Liebesbrief an den Journalismus und das gedruckte Magazin ist „The French Dispatch“trotzdem, auch wenn Anderson und seine Stars den Kritikern in Cannes letztlich wenig Interesse entgegenbrachten. Eine Pressekonferenz gaben sie jedenfalls nicht.
Regisseurin zeigte in „Bergman Island“ein filmschaffendes Paar, das auf die Insel Fårö eingeladen wird, auf der der legendäre Filmemacher Ingmar Bergman einst lebte und starb und Teile von „Szenen einer Ehe“drehte. Mit leichter Hand verbinden sich dabei Bergman-Verehrung, ein Film-im-Film und die mit diesem Hintergrund unvermeidbare Beziehungsbetrachtung.
Ein surrealer Fiebertraum von einem Film, erzählerisch und über verschiedene Zeitebenen mit der Hauptfigur, dem Comiczeichner Petrov, frei umherstreifend, war hingegen der atmosphärische „Petruv’s Flu“vom russischen Regisseur Kirill Serebrennikow. Der Russe, der wegen einer Bewährungsstrafe das Land nicht verlassen darf, konnte wie schon zuletzt bei seinem gefeierten Jugend-Musiker-Porträt „Leto“nicht persönlich nach Cannes kommen. Eine Pressekonferenz gab er trotzdem – er ließ sich über einen Bildschirm aufs Podium zuschalten.
Thees Uhlmann, geboren 1974 in Hannover.
Ab 1994 in der Band Tomte, ab 2012 Solokarriere. Letztes Album: „Junkies und Scientologen“. 2015 Romandebüt „Sophia, der Tod und ich“. ist simpel: Ich bin leicht betrunken und einsam in Berlin. Und vielleicht erkennt dann jemand aus Graz dieses Gefühl wieder. So ist die Kunst. Das Gefühl, dass man nicht allein ist.
Was hat zu dieser fünfjährigen Pause geführt?
Ich hatte wahnsinnig schlechte Laune. Die ist kein guter kreativer Berater. Irgendwie wurden fünf Jahre daraus. Ich bin auch nicht der Typ, der sich zwei Monate ins Exil begibt, um über die Platte nachzudenken. Ich will und muss mich um meine Tochter kümmern.