Belächelte Millionärin
#MeToo erreicht den deutschen Rap, Shirin David mischt auch dort mit.
Mit den Klischees sind auch Medien schnell bei der Hand. Weil Shirin David (26) in einer Pro-Sieben-Show ein paar Quizfragen von Moderator Joko Winterscheidt nicht beantworten konnte, war von „Blamage“die Rede. Die Frau ist aus dem Stoff, über den sich der Mainstream schon seit Generationen wohlfeil zerkugelt. Eine sexy Blondine, die ihre Berühmtheit obendrein (quasi das Update solcher Uralt-Klischees) der zweifelhaften Welt des Internets verdankt.
Dass der Spross einer iranisch-litauischen Beziehung mit 19 einen YoutubeKanal aufbaute, der heute über 2,8 Millionen Abonnenten verfügt, dass sie ein Jahr später ihren ersten Hit in den Charts platzierte, dass sie seither konsequent an einer erfolgreichen Karriere als Rapperin arbeitet, dass dort mit 22 Jahren ihre erste Million verdient hat, all das übersieht die Überheblichkeit der Mittelmäßigen gern. Die arbeitet sich dann doch lieber an Davids Äußerem und ihrem zwischen Hochglanz und Trash oszillierenden Image ab.
Kürzlich hat sich David, die ihr Album „Bitches brauchen Rap“vorbereitet, zur sexualisierten Gewalt im HipHop zu Wort gemeldet. Nachdem die Influencerin Nika Irani Vergewaltigungsvorwürfe gegen einen Rapper erhob, kritisierte David unter anderem, dass Musikmedien das Problem kleinreden würden und sich in Kumpanei mit mutmaßlichen Tätern üben. David wurde als Rapperin und Influencerin selbst häufig kritisiert. Das von ihr propagierte Frauenbild sei veraltet, sie arbeite mit homophoben und antisemitischen Kollegen zusammen und letztlich sei sie doch eine Proponentin des Neoliberalismus und seiner Selbstoptimierungen. Nun wird sie zur Figur der #MeToo-Bewegung, die mit enormer Verspätung den deutschen Rap erreicht hat. Shirin David ist ein Phänomen der Widersprüche zwischen Erfolgsstreben, Solidarität, Verantwortungsgefühl und Oberflächlichkeit. So modern, dass die FAZ sie bereits vor einiger Zeit zur „Trägerin der neuen Leitkultur“erklärt hat.