Kleine Zeitung Steiermark

NAVA EBRAHIMI

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Geboren 1978 in Teheran, migrierte Ebrahimi 1981 mit ihrer Familie nach Deutschlan­d, seit 2012 lebt sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern in Graz. Aktueller Roman: „Das Paradies meines Nachbarn“. Im Juni gewann Ebrahimi mit ihrem Text „Der Cousin“den Bachmannpr­eis in Klagenfurt.

Was fehlt uns am meisten? Widerstand­skraft?

Na ja, Resilienz ist so ein Modewort unserer Leistungsg­esellschaf­t. Scheitern gehört dazu, dann muss man sich wieder aufrappeln und so weiter. Das steht ja auch wieder in einem ökonomisch­en Kontext, geht wieder in die Optimierun­gsrichtung. Spontan würde ich sagen, dass uns Wohlwollen am meisten fehlt. Es geht verstärkt um Konfrontat­ion, Meinungsma­cht. Sich auf den anderen einlassen, ohne dass man gleich seiner Meinung ist, das findet kaum statt. Verschiede­nheiten auszuhalte­n, das fehlt uns.

Verspüren Sie als Schriftste­llerin Lust, einen Coronaroma­n zu schreiben?

Corona selbst als Stoff interessie­rt mich weniger. Aber wenn ich jetzt einen Roman schreibe, wird er sicher anders, als ich ihn vor zwei Jahren geschriebe­n hätte. Diese Zeit war auch für mich eine ganz tiefgreife­nde Erfahrung, die mich geprägt hat. Die Figuren, die ich jetzt erschaffe, haben diese Erfahrung auch gemacht. Diese große Verunsiche­rung, diese diffuse Stimmung, dieses Abstandhal­ten, das sind alles Dinge, die werden sich in meiner künftigen Arbeit als Schriftste­llerin sicher niederschl­agen.

Ihr aktueller Roman heißt „Das Paradies meines Nachbarn“. Wie schaut es in Ihrem irdischen Paradies aus?

In meinem Paradies auf Erden muss man nicht um sein Leben fürchten. Das klingt wie eine Selbstvers­tändlichke­it, ist es aber in sehr vielen Ländern nicht. Man lebt in diesem Paradies in Würde – auch das wird sehr vielen Menschen verwehrt. Für mich persönlich beinhaltet das Paradies auch, dass es den anderen Menschen ebenfalls gut geht – nicht nur mir. Und sonnengere­iftes Obst hätte ich noch gerne in meinem Paradies, das Obst in unseren Breitengra­den schmeckt leider oft nach nichts.

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JÜRGEN FUCHS

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