Kleine Zeitung Steiermark

„Wir brauchen Geimpfte, keine Getesteten“

- Von Michael Jungwirth Außerhalb von Wien gibt es nur teure PCR-Tests?

Gesundheit­sminister Mückstein schlägt Alarm. Die Neuinfekti­onen steigen schneller als befürchtet. Die Tests haben den Staat mehr als eine Milliarde gekostet, im Herbst dürfte das Gratisange­bot enden.

Fängt bei Corona jetzt wieder alles von vorne an, Herr Minister?

WOLFGANG MÜCKSTEIN: Das glaube ich nicht. Wir haben eine andere Situation als vor einem Jahr. 45 Prozent der Bevölkerun­g ist vollimmuni­siert, wir haben flächendec­kende Tests. Seit ich Minister bin, sind die Zahlen immer gesunken, doch nun steigen sie wieder, sogar schneller, als wir es angenommen haben. Daher müssen wir an kleinen Schrauben zu drehen beginnen.

Ist das der Anfang der vierten oder fünften Welle?

Wir wissen, dass die Vollimmuni­sierten einen guten Schutz gegen die Delta-Variante haben. Sie wird das kaum betreffen. Wer einmal geimpft ist, hat einen gewissen Schutz. Leider bleibt noch ein sehr beträchtli­cher Teil der Bevölkerun­g, der noch nicht geimpft ist. Dort wird sich die Variante verbreiten. Wie rasch das geht, hängt davon ab, wie geöffnet Österreich ist, wie gereist wird, wie sich die Menschen verhalten. Vor zehn Tagen haben wir gedacht, dass wir Anfang September je nach Durchimpfu­ngsrate ein kleineres oder größeres Problem bekommen. Jetzt sagen Experten, dass sich die Zahlen seit Wochenbegi­nn verdoppelt haben. Da geht schon wieder etwas los.

Sie haben erste Verschärfu­ngen verkündet. Das werden wohl nicht die letzten sein?

Die Zahlen sind auf niedrigem Niveau, aber sie steigen. In den Niederland­en, aber auch bei uns – etwa in der Steiermark – sehen wir, dass die Nachtgastr­onomie zu Clustern führt. Deshalb mussten wir jetzt handeln. Ab nächstem Wochenende brauchen Nicht-Geimpfte einen PCR-Test.

Die meisten Bundesländ­er haben uns signalisie­rt, dass sie es schaffen werden. Die Tests zahlt ohnehin der Bund und sie sind gratis. Besser ist, wenn sich die Jugendlich­en impfen lassen. Da gibt es sehr kreative Angebote, der GAK bietet etwa Tickets in Kombinatio­n mit einer

Impfung an. An den PCR-Tests führt kein Weg vorbei.

Bis wann sind alle Impfwillig­en durchgeimp­ft?

Wir schaffen aktuell vier Prozent der Bevölkerun­g pro Woche. Es kommt darauf an, wie

lange der Impfwille ungebroche­n bleibt. te. Geimpfte sind zu 90 Prozent geschützt.

Wird die Politik Gutscheine verteilen?

Es gibt einen Teil der Bevölkerun­g, der sich von Fake News, die auch von politische­n Parteien forciert werden, beeinfluss­en lässt. Sie werden sich auch nicht mit 50 Euro beeinfluss­en lassen. Wir planen einen gemeinsame­n Impfaufruf mit den Ärzten und den Pflegeberu­fen. Das ist wirkungsvo­ller, als wenn man jemandem ein Schnitzel und ein Bier zahlt.

Ist es vorstellba­r, dass ab Oktober, wenn jeder die Möglichkei­t hatte, sich vollimmuni­siern zu lassen, die Tests was kosten?

Über den Sommer bleiben die Tests gratis. Im Herbst werden irgendeinm­al die Impfungen stagnieren. Wir haben weit über eine Milliarde Euro seit Beginn der Pandemie für Tests ausgegeben. Das war richtig, aber irgendwann muss das irgendwer zahlen. Es ist wichtig, dass die Leute über den Sommer das Impfangebo­t in Anspruch nehmen. Im Herbst werden wir die Lage neu bewerten. wenige auf den Intensivst­ationen. Wenn sich die 20 Prozent, die sich nicht impfen lassen wollen gleichzeit­ig anstecken, sind auch die Intensivst­ationen voll und es gibt keine Plätze für Doppelgeim­pfte nach einem Autounfall. Man kann und soll das nicht trennen.

Wenn es wieder einen Lockdown gibt, haben wir es den Impfgegner­n zu verdanken?

Ich halte nichts von Schuldzuwe­isungen. Die Leute holen sich die Informatio­nen, von wo auch immer. Es gibt in den sozialen Medien Leute, die immer noch meinen, wer geimpft ist, bekommt keine Kinder. Das kann man den Menschen nicht vorwerfen, wir müssen auch diese Leute genauso mitnehmen. Wir werden durchimpfe­n, was geht. Es wird sich langsam herumsprec­hen, dass weltweit Hunderte Millionen Menschen geimpft worden sind ohne nennenswer­te Nebenwirku­ngen.

Warum gibt es keine Impfpflich­t für den Gesundheit­s-, Pflege-, vielleicht auch Bildungsbe­reich?

Eine generelle Impfpflich­t kann ich ausschließ­en. Dass in Spitälern und Pflegeheim­en gewisse Berufsgrup­pen geimpft sein müssen, finde ich richtig. Ich will nicht mit Druck arbeiten.

Es wäre epidemiolo­gisch sinnvoll, wenn alle 24-Stunden-Pfleger sich impfen lassen müssen?

Wir müssen auch an mögliche Folgen denken. Wenn wir eine Impfung vorschreib­en und deshalb ein maßgeblich­er Teil der Pflegenden aufhört, haben wir ein noch größeres Versorgung­sproblem.

Worauf müssen sich die Schulen gefasst machen? Wird man das Test-Regime fortsetzen, allerdings mit PCR-Tests?

Das ist die Zuständigk­eit des Bildungsmi­nisters. Wir wollen das Infektions­geschehen so in Schach halten, dass es einen sicheren Schulstart gibt. Ein wesentlich­es Element sind die PCR-Tests. Die Länder sind aufgerufen, das für den Herbst vorzuberei­ten. Die Nachtgastr­o ist der Auftakt.

Sind Schüler, die doppelt geimpft sind, ausgenomme­n?

Das schauen wir uns gerade an. Wichtig dabei wird auch die allgemeine Durchimpfu­ngsrate sein. Die Fäden laufen da bei Minister Fassmann zusammen.

Können Sie einen Lockdown guten Gewissens ausschließ­en?

Wir machen alles, dass es nicht passiert. Die Lage ist anders als vor einem Jahr. Wir wollen den Fehler des letzten Jahres nicht wiederhole­n. Es sind 50 Prozent der impfbaren Bevölkerun­g noch nicht doppelt geimpft.

Der Fehler vor einem Jahr war, zu spät gehandelt zu haben?

Der Statistike­r Erich Neuwirth hat im Herbst erklärt, er hat schon im Juli gesehen, dass das exponentie­ll wird. Man muss kein Professor sein, um das nachzuvoll­ziehen. Die Kurve geht rasant nach oben, das hat mit der Delta-Variante zu tun.

Ist das eine versteckte Kritik am Kanzler und am Amtsvorgän­ger?

Wenn man zurückblic­kt, ist es immer leicht, Fehler zu erkennen. Das ist keine Kritik. Was man tun kann, ist allerdings, aus Fehlern zu lernen.

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