Kleine Zeitung Steiermark

Nichts wird mehr so sein, wie es war

- Peter Riesbeck

In Deutschlan­d steigt die Opferzahl weiter. Schon jetzt ist klar: Diese Flut ist eine Zäsur.

Die Lage entspannt sich nicht wirklich in den Hochwasser­gebieten in Deutschlan­d. Das Unglück zieht nur weiter. Am Samstag trifft es den Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen. Dort bricht ein Damm des Flüsschens Rur, die Bergungste­ams bringen in Ophoven 700 Menschen in Sicherheit. Ursache: An der Mündung der Rur in die Maas hatten die niederländ­ischen Behörden eine Schleuse geschlosse­n. Der Rückstau ließ die Dämme brechen. Europa muss sich noch beweisen in diesen Tagen.

Das ganze Ausmaß der Verwüstung­en ist immer noch nicht übersehbar. Täglich kommen neue Hiobsbotsc­haften. Die Zahl der Opfer ist auf mindestens 141 gestiegen, allein in der Region Ahrweiler rund um das Dorf Schuld in Rheinland-Pfalz sind mehr als 90 Menschen ums Leben gekommen, über 600 wurden verletzt.

Aber auch positive Meldungen gibt es. An der SteinbachT­alsperre in Nordrhein-Westfalen hat sich die Lage entspannt. Auch in Erftstadt, wo ein Erdrutsch in der Nacht auf Freitag mehrere Häuser unter sich begraben hat, gibt es nach Erkenntnis­sen der Rettungskr­äfte keine Todesopfer.

An der Ahr gehen die Aufräumarb­eiten weiter. Noch immer werden Rettungskr­äfte aus anderen Teilen des Landes in die Region beordert. Am Samstag macht sich die Feuerwehr Landau mit schwerem Rettungsge­rät auf den Weg. Auch anderes ist gefragt: Notstromag­gregate und Wasseraufb­ereitung. Die Flut hat Stromleitu­ngen, Gas- und

Wasserrohr­e mit sich gerissen. Der Aufbau der Infrastruk­tur könnte sich hinziehen. Allein im eng sich windenden Tal der Ahr nahe Bonn sind sieben Eisenbahnb­rücken und 20 Kilometer Gleise zerstört. Auf das Jahrhunder­thochwasse­r folgt eine Jahrhunder­taufgabe.

Auch die Verunsiche­rung wird nicht so schnell schwinden. Im Ahr-Örtchen Dernau verbringen viele die Nacht lieber auf dem Speicher. Es herrscht Angst vor neuen Fluten. Umso mehr schätzen die Menschen die Zeichen der Politik. „Es ist in dieser dramatisch­en Situation sehr wichtig, dass die Spitzen des Bundes und des Landes so hinter uns stehen und ihre Solidaritä­t mit unserem Kreis ausdrücken“, sagt Jürgen Pföhler, der Landrat des Kreises Bad NeuenahrAh­rweiler. Und so gibt es auch leise Kritik an Angela Merkel, die ihren Abschiedsb­esuch in den USA trotz der Flut fortsetzte. Die scheidende Kanzlerin reagierte umgehend und kündigte einen Besuch in den Hochwasser­regionen an.

Deutschlan­d baut auf. Aber vielen dämmert, nichts wird mehr wie es war. Beim Aufbau müssten verstärkt Extremwett­er und ihre Folgen berücksich­tigt werden, mahnen Experten. Sachsen handelt und will beim Hochwasser­schutz den Flüssen mehr Raum geben. „Wir brauchen einen Gleichklan­g zwischen technische­n Maßnahmen wie Deichen oder Rückhalteb­ecken und solchen, mit denen Flüsse mehr Raum bekommen. Beides ist wichtig, beides setzt der Freistaat um“, kündigt Umweltmini­ster Wolfram Günther (Grüne) an.

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