Kleine Zeitung Steiermark

Der Mann, der den Iran zum Gottesstaa­t machte

Katajun Amirpur zeichnet das bewegte Leben von Ajatollah Chomeini nach.

- Katajun Amirpur, Stefan Winkler

Die Revolution, die 1979 im Iran zum Sturz des Schahs und zur Ausrufung der Islamische­n Republik führte, hat von Beginn an zahlreiche europäisch­e Intellektu­elle in den Bann geschlagen. In ihrer suggestive­n Wirkung unübertrof­fen ist Ryszard Kapu´scin´skis literarisc­he Reportage „Schah-in-schah“, in der der große polnische Journalist auf beklemmend­e Weise die Machtergre­ifung der Mullahs nachzeichn­ete. Nicht minder grandios ist das 1981 veröffentl­ichte Buch „Among the Believers“(„Eine islamische Reise“), in dem der spätere britische Nobelpreis­träger V. S. Naipaul unmittelba­r nach dem Umsturz im Gespräch mit einfachen Leuten im Iran zu ergründen versuchte, welche Hoffnungen diese in die Revolution setzten.

Im Dunkeln bleibt dagegen in diesen zwei und auch den vielen folgenden Werken die Gestalt des Mannes, ohne den es die Revolution in dieser Form nie gegeben hätte. In krassem Gegensatz zu den ikonischen Fotos, die von Ajatollah Chomeini (1902-1989) existieren, ist über die Person und das Leben des Revolution­sführers eigenartig wenig bekannt.

Diese Lücke versucht Katajun Amirpur nun mit einer ambitionie­rten Biografie zu schließen. Der Bogen, den die deutsch-iranische Islamwisse­nschaftler­in spannt, ist weit. Er reicht von der Kindheit Chomeinis unter der Obhut starker Frauen über seine Lehrjahre im theologisc­hen Seminar, die ersten Auftritte auf der politische­n Bühne Anfang der Sechzigerj­ahre und den Aufstieg zum großen Gegenspiel­er von Schah Mohammad Reza Pahlavi bis zur Installati­on der Theokratie im Iran, den auf sie folgenden Jahren des Terrors, Chomeinis Tod und dem erbitterte­n Kampf um sein Erbe.

Das Porträt, das Aminpur entwirft, ist das einer charismati­schen Gestalt, die früh mit der quietistis­chen Tradition ihrer Lehrer brach, um die schiitisch­e Lehre zum schärfsten Schwert der Revolution umzuschmei­den. Auch die Abneigung gegen den Westen prägte früh das Denken Chomeinis, der trotz vieler kundiger Exkurse und Einbettung­en in historisch­e und religiöse Zusammenhä­nge auch in dieser Biografie letztendli­ch undurchdri­nglich rätselhaft bleibt.

Khomeini. Der Revo- lutionär des Islams, C.H. Beck, 352 Seiten, 27,80 Euro

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria