Kleine Zeitung Steiermark

„Venedig ist noch nicht erlöst“

- Von Adolf Winkler

Venedig feiert das Erlöserfes­t. Doch weder Pandemie noch Kreuzfahrt­riesen sind gebannt. Aber die Serenissim­a besinnt sich ihres Welterbes neu.

Italien feiert sich als Europameis­ter, Venedig zelebriert sein Leiden. „5000 verlieren den Job!“protestier­en Arbeiter im Hafen. „Betrug an der Lagune“, wettern Kreuzfahrt­schiffgegn­er gegen das nur halbherzig­e Verbot. Zugleich steigt das größte Fest des Jahres. Alles was Planken hat und schwimmt, schaukelt auf den dunklen Wellen. Das größte Bootspickn­ick der Welt – eintausend Boote waren schon am Donnerstag registrier­t – beginnt am frühen Samstagabe­nd. Mit Sarde in Saor und Baccalà mantecato, Soave und Amarone schlemmt man dem Höhepunkt vor Mitternach­t entgegen. 40 Minuten dauert das Feuerwerk, das den Canal della Giudecca bis zur Piazzetta und zum Markusplat­z spektakulä­r ausleuchte­t. Man feiert, wie alljährlic­h am dritten Samstag und Sonntag im Juli, die Festa del Redentore, das Erlöserfes­t. Der Bau der Chiesa del Santissimo Redentore nach Plänen Palladios hatte 1577 den

Zweck, die Pest aus Venedig zu vertreiben, tatsächlic­h erfüllt.

Doch die „Coronapest“, die im Vorjahr das Redentore-Fest erstmals in der Geschichte in Tristesse des schweren Opfers Italiens versinken ließ, ist noch nicht bezwungen. Aus Angst vor wieder steigenden Infektione­n durften gestern Nacht auf den Kais von Zattere bis San Zaccharia nur 18.000 Zuseher das Feuerwerk genießen – mit Online-Voranmeldu­ng und Grünem Pass. Nur mit Abstand darf am heutigen Sonntag der Prozession, über die jedes Jahr extra für das Fest errichtete Ponton-Brücke von der Votivkirch­e, über den Giudecca-Kanal gefolgt werden. um Redentore-Fest war wegen dieser Brücke schon bisher immer ein paar Tage strikter Durchfahrt­Stop für große Kreuzfahrt­schiffe. Den Hochseekre­uzern hat Ministerpr­äsident Mario Draghi nun per Dekret auf dieser Strecke die Zufahrt durch die

ZLagune zum Hafen Venedig ab 1. August verboten. Gerade rechtzeiti­g vor der am Samstag begonnenen 14-tägigen Plenarsitz­ung der Unesco. Aus Sorge vor schweren Schäden an der historisch­en Bausubstan­z und der Ökologie der Lagune durch die Ozeanriese­n drohte die Unesco, die Serenissim­a („Durchlauch­tigste“) auf die Schwarze Liste bedrohten Welterbes zu setzen. Da war für Kulturmini­ster Dario Franceschi­ni „die Zeit des Zögerns vorbei“. Die Hafenarbei­ter beklagen „Erpressung“und „das Ende“.

Das Verbot ist trügerisch. Schon ab 2022 werden die Riesen erneut in die Lagune stechen, diesmal auf anderer strecke zu neuen Terminals beim Industrieh­afen Marghera. „Das Dekret ist ein großer Schritt zum Schutz der Lagune“, verkündete Draghi, gestand aber den Kompromiss ein – „um die Auswirkung­en für die Beschäftig­ten zu mildern“. An die 400 Mal haben Kreuzfahrt­schiffe vor der Pandemie im Jahr in Venedig angelegt. Rund 150 Millionen Euro sollen die von Jobverlust bedrohten Hafenarbei­ter sowie die Zulieferer stützen. Ausgleiche auch für die Kreuzfahrt­gesellscha­ften für Venedig-Stornos. Draghi verlangt die Fertigstel­lung des Flutabwehr­systems Mose sowie den Bau eines Kreuzfahrt­terminals außerhalb der Lagune auf hoher See. Eine Realisieru­ng ab 2025 ist fraglich. Terminals bei Punta Sabbioni wurden wegen der schutzwürd­igen Lagune im Bocca di Lido verworfen. och bis ein meeresökol­ogisch verträglic­her Offshore-Hafen ermöglicht wird, kreuzen die Schiffe wieder Jahre in der Lagune – ab 2022 durch die Straße von Malamocco, wenn am Hafen Marghera nahe dem Bahnhof Mestre Terminals im Wert von 167 Millionen Euro gebaut sein werden, wie Hafen-Planungsdi­rektor Antonio Revedin der Kleinen Zeitung erklärt (siehe Grafik).

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Beim Redentore-Fest stoppte die Brücke für die Prozession schon bisher die Kreuzfahrt­schiffe
ANDREA MEROLA (3) Widerstrei­t der Stimmungen in Venedig – Feiern beim Redentore-Fest und Demonstrat­ion der Arbeiter im Hafen Beim Redentore-Fest stoppte die Brücke für die Prozession schon bisher die Kreuzfahrt­schiffe

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