„Venedig ist noch nicht erlöst“
Venedig feiert das Erlöserfest. Doch weder Pandemie noch Kreuzfahrtriesen sind gebannt. Aber die Serenissima besinnt sich ihres Welterbes neu.
Italien feiert sich als Europameister, Venedig zelebriert sein Leiden. „5000 verlieren den Job!“protestieren Arbeiter im Hafen. „Betrug an der Lagune“, wettern Kreuzfahrtschiffgegner gegen das nur halbherzige Verbot. Zugleich steigt das größte Fest des Jahres. Alles was Planken hat und schwimmt, schaukelt auf den dunklen Wellen. Das größte Bootspicknick der Welt – eintausend Boote waren schon am Donnerstag registriert – beginnt am frühen Samstagabend. Mit Sarde in Saor und Baccalà mantecato, Soave und Amarone schlemmt man dem Höhepunkt vor Mitternacht entgegen. 40 Minuten dauert das Feuerwerk, das den Canal della Giudecca bis zur Piazzetta und zum Markusplatz spektakulär ausleuchtet. Man feiert, wie alljährlich am dritten Samstag und Sonntag im Juli, die Festa del Redentore, das Erlöserfest. Der Bau der Chiesa del Santissimo Redentore nach Plänen Palladios hatte 1577 den
Zweck, die Pest aus Venedig zu vertreiben, tatsächlich erfüllt.
Doch die „Coronapest“, die im Vorjahr das Redentore-Fest erstmals in der Geschichte in Tristesse des schweren Opfers Italiens versinken ließ, ist noch nicht bezwungen. Aus Angst vor wieder steigenden Infektionen durften gestern Nacht auf den Kais von Zattere bis San Zaccharia nur 18.000 Zuseher das Feuerwerk genießen – mit Online-Voranmeldung und Grünem Pass. Nur mit Abstand darf am heutigen Sonntag der Prozession, über die jedes Jahr extra für das Fest errichtete Ponton-Brücke von der Votivkirche, über den Giudecca-Kanal gefolgt werden. um Redentore-Fest war wegen dieser Brücke schon bisher immer ein paar Tage strikter DurchfahrtStop für große Kreuzfahrtschiffe. Den Hochseekreuzern hat Ministerpräsident Mario Draghi nun per Dekret auf dieser Strecke die Zufahrt durch die
ZLagune zum Hafen Venedig ab 1. August verboten. Gerade rechtzeitig vor der am Samstag begonnenen 14-tägigen Plenarsitzung der Unesco. Aus Sorge vor schweren Schäden an der historischen Bausubstanz und der Ökologie der Lagune durch die Ozeanriesen drohte die Unesco, die Serenissima („Durchlauchtigste“) auf die Schwarze Liste bedrohten Welterbes zu setzen. Da war für Kulturminister Dario Franceschini „die Zeit des Zögerns vorbei“. Die Hafenarbeiter beklagen „Erpressung“und „das Ende“.
Das Verbot ist trügerisch. Schon ab 2022 werden die Riesen erneut in die Lagune stechen, diesmal auf anderer strecke zu neuen Terminals beim Industriehafen Marghera. „Das Dekret ist ein großer Schritt zum Schutz der Lagune“, verkündete Draghi, gestand aber den Kompromiss ein – „um die Auswirkungen für die Beschäftigten zu mildern“. An die 400 Mal haben Kreuzfahrtschiffe vor der Pandemie im Jahr in Venedig angelegt. Rund 150 Millionen Euro sollen die von Jobverlust bedrohten Hafenarbeiter sowie die Zulieferer stützen. Ausgleiche auch für die Kreuzfahrtgesellschaften für Venedig-Stornos. Draghi verlangt die Fertigstellung des Flutabwehrsystems Mose sowie den Bau eines Kreuzfahrtterminals außerhalb der Lagune auf hoher See. Eine Realisierung ab 2025 ist fraglich. Terminals bei Punta Sabbioni wurden wegen der schutzwürdigen Lagune im Bocca di Lido verworfen. och bis ein meeresökologisch verträglicher Offshore-Hafen ermöglicht wird, kreuzen die Schiffe wieder Jahre in der Lagune – ab 2022 durch die Straße von Malamocco, wenn am Hafen Marghera nahe dem Bahnhof Mestre Terminals im Wert von 167 Millionen Euro gebaut sein werden, wie Hafen-Planungsdirektor Antonio Revedin der Kleinen Zeitung erklärt (siehe Grafik).
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