Von der Befreiung des Pinselstrichs
Das Liaunig Museum legt in seiner neuen Saison den Fokus auf informelle und gestische Kunst nach 1945. Das Skulpturendepot widmet sich dem steirischen Bildhauer Gerhardt Moswitzer.
Es ist auffallend, dass in der Sammlung Liaunig Werke der Malerei, Grafik und Skulptur – also der klassischen Disziplinen – überwiegen. Dabei wiederum ist die Abstraktion eine bestimmende Konstante“, schreibt Kurator Günther Holler-Schuster über eine der bedeutendsten privaten Kunstsammlungen Österreichs. Für die aktuelle Ausstellung in Neuhaus bei Lavamünd ist der Steirer dem „Punkt, der Linie und der Farbe auf dem Weg durch die österreichische Kunstgeschichte nach 1945“gefolgt und hat dabei eine Art Geschichte des Pinselstrichs zutage gefördert. In einem der rund 200 Werke der Hauptausstellung, einer Arbeit des Oberösterreichers Josef Bauer, ist dieser gleichsam zur Skulptur erstarrt: Wie ein Stück Wäsche hängt der Pinselstrich über einem Gestänge und führt vor Augen, was übrig bleibt, wenn sich alle Formen aufgelöst haben – wie damals im Zweiten Weltkrieg, nach dessen Zerstörungen Künstler wie jene der Gruppe Zero die „Stunde Null“ausgerufen hatten. Das Resultat des Neubeginns waren Leinwände voller Löcher und Brandspuren, Pinselstriche, die sich verselbstständigten oder sich in den Dienst eines gestischen und expressiven Ausdruckswillens stellten.
Um diese verschiedenen Tendenzen sichtbar zu machen, hat Holler-Schuster vorwiegend aus der hauseigenen Sammlung geschöpft und dabei einige Überraschungen zutage gefördert, darunter eine
Pietà-artige Plastik von Maria Lassnig oder eine Bildkomposition des Musikers Friedrich Cerha. In der 120 Meter langen Oberlichthalle trifft man neben vereinzelten internationalen Positionen (Mathieu, Hartung, Appel) vor allem auf die Crème de la Crème der jüngeren österreichischen Malerei – und das durchwegs in besten großformatigen Werken von Arnulf Rainer bis Otto Zitko. Die formale Bandbreite reicht dabei von den pastosen Materialschlachten eines Franz Grabmayr über die Farborgien eines Hermann Nitsch bis hin zur fotografisch dokumentierten Aktionskunst eines Günter Brus oder Rudolf Schwarzkogler, die in den 1960ern neben der künstlerischen auch die gesellschaftliche Ordnung ins Wanken brachten.
Das Skulpturendepot steht im Zeichen des steirischen Multitalents Gerhardt Moswitzer (1940–2013), der als ehemaliger Werkzeugmacher eine Fülle von Eisenplastiken hinterließ. Liebhaber traditionellerer Künste kommen ebenfalls auf ihre Rechnung. Neben der Afrika-Schau „Gold der Akan“zeigt man auch neue Exponate aus der Porträtminiaturen-Sammlung, etwa von der Hand Isaac Olivers, des Hofmalers von Königin Elisabeth I. Neu sortiert wurden auch die historischen Gläser.
Wer nach der „Tour de Force“Erholung braucht, findet diese im Skulpturengarten, der herrliche Ausblicke auf die Landschaft zwischen Drau und Karawanken ermöglicht.
Neuhaus/Suha bei Lavamünd, Bis 31.10.; Mi bis So, 10 bis 18 Uhr. museumliaunig.at