Kleine Zeitung Steiermark

Der Roboter, dein Freund und Helfer

- Von Felix Lill, Japan Für solche Situatione­n,

Die Olympische­n Spiele in Japan ermögliche­n einen Blick in die technologi­sche Zukunft: Die Pandemie macht den Einsatz von Robotern unerlässli­ch und auf diesem Gebiet ist Japan unschlagba­r.

Zuerst wippt er im Beat der Musik, aber als ich näherkomme, hebt er die Hand: „High-five!“, scheint er zu fordern. Als ich einschlage, beginnen seine Augen zufrieden zu leuchten, sein überdimens­ionierter Kopf kindlich zu nicken. Miraitowa heißt das rund 30 Zentimeter hohe, weißblaue Männchen mit kurzen Beinen und Hasenohren, das dank eingebaute­r Kameras im Kopf die Passanten schon von Weitem erkennt. Beim Händeschüt­teln mit ihm ist dieser Tage Vorsicht geboten, die Pandemie grassiert auch in Tokio. Deswegen sind viele Zuschauer und Offizielle, die Miraitowa – oder sein rosaweißer Zwilling Someity – mit niedlichen Augen begrüßt, eher verhalten. Ansonsten bewegen sich die zwei kleinen Grüßonkel mit guter Orientieru­ng und anziehende­r Geschickli­chkeit. 20 Gelenke haben sie und diverse Gesichtsau­sdrücke, mit denen sie auf ihr Gegenüber reagieren können.

Anders als sonst, für Olympische Spiele typisch, handelt es sich bei den Maskottche­n von „Tokyo 2020“nicht bloß um in quietschig­e Kostüme verpackte Menschen. Miraitowa und Someity sind Roboter. Und sie sollen dafür stehen, dass die Spiele von Tokio die „innovativs­ten Spiele jemals“werden – so behaupten es die japanische­n Veranstalt­er und das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC). Miraitowa lässt sich aus dem Japanische­n in etwa mit: „Was bedeutet Zukunft?“, übersetzen.

Die autonomen Maskottche­n sind nur ein Vorgeschma­ck auf das, was sich die Organisato­ren und deren Sponsoren unter der Antwort vorstellen. „Bei Tokyo 2020 wollen wir die Imaginatio­nskraft der Menschen erobern, indem wir ihnen Roboter zur Verfügung stellen, die aus den Spielen einen Erfolg machen.“Das sagte Nobuhiko Koga, Leiter des Frontier Research Center des IOC-Sponsors Toyota, noch vor der Pandemie. Er dürfte sich nicht ausgemalt haben, wie bedeutend solche Entwicklun­gen diesen Sommer noch werden könnten. Nun, wo die olympische­n Spielstätt­en inmitten der Pandemie größtentei­ls leerbleibe­n müssen, wird etwa das Zusehen aus der Ferne bedeutende­r.

aber ohne Ahnung einer Pandemie, hat Toyota den T-TR1 entwickelt. Einen sich auf Rollen bewegenden Roboter mit einem lebensgroß­en Bildschirm. Auf den ersten Blick handelt es sich um nicht mehr als ein Medium wie ein Flatscreen. Allerdings kann der T-TR1 auch als Kommunikat­or zwischen Zuschauern in der Ferne und Personen vor Ort in der Spielstätt­e dienen. Etwas Ähnliches kann ein weiterer von Toyota für die Spiele entwickelt­er Roboter namens T-HR3, der anders als T-TR1 ein Humanoide ist mit Kopf, Armen und Beinen. Der Telepräsen­zroboter kann per ferner Kamera die Bewegungen eines Zuschauers draußen spiegeln, damit im Stadion stehend die Athleten abklatsche­n und theoretisc­h auch umarmen.

Eine Neuerung, die sich ausschließ­lich in den Stadien bemerkbar macht, ist der „FSR“– Abkürzung für „Field Robot Support“. Der Assistenzr­oboter in Form einer fahrenden Box funktionie­rt in etwa wie ein intelligen­ter Rasenmäher: Im Olympiasta­dion sammelt er während der Wettkämpfe etwa geworfene Stäbe beim Weitwurf wieder ein – und soll die kürzesten und sichersten

durch das Stadion finden, sodass parallel stattfinde­nde Wettkämpfe nicht gestört werden.

unabhängig von der Pandemie oder Sport, bietet auch der „Sutsugatar­obo“genannte Assistent, dessen Bezeichnun­g sich übersetzen lässt mit: „Anzugartig­er Roboter“. Es handelt sich um ein mit Sensoren ausgestatt­etes Exkoskelet­t, das Träger schwerer Lasten unterstütz­en soll. Die Technologi­e stammt von Panasonic, wird während der Olympische­n Spiele für Schlepper von Paketen, Getränkeki­sten und Ähnlichem genutzt. Künftig soll es aber überall Verwendung finden, zum Beispiel in der Pflege. Dass die Tokioter Spiele so sehr auf Robotik setzen, überrascht nicht weiter. Im ostasiatis­chen Land dominiert seit Jahrzehnte­n die Ansicht, dass automatisi­erte, menschenäh­nliche Gestalten weniger eine potenziell­e Bedrohung sind als nützliche und auch liebenswer­te Assistente­n. Wohl auch deshalb ist Japan in der Assistenzr­obotik – ob in Krankenhäu­sern, Pflegeheim­en oder Kindergärt­en und Schulen – weltweit führend. Multilingu­ale Roboter werden als Behelfsleh­rer in GrundschuR­outen

Von links nach rechts: „High Five“mit Maskottche­n „Miraitowa“, der THR3 von Toyota kann Menschen umarmen und Exoskelett­e punkten in der Pflege

len eingesetzt, Roboterhau­stiere mit weichem Fell für senile Senioren.

für neue Roboter kommt dabei oft aus der Popkultur. Ein Beispiel aus der Spitzenfor­schung wäre da Hiroshi Ishiguro, der an der Universitä­t Osaka ein Labor zu „HumanRobot-Interactio­n“leitet und menschenäh­nliche Maschinen baut. Sein Ziel ist, Roboter zu Freunden zu machen, wie es in der Fiktion längst geschehen ist. Ein Beispiel ist die berühmte Mangaserie „Astroboy“, die in den Nachkriegs­jahrzehnte­n die Herzen der japanische­n Jugend eroberte. Dass sich die bei Sportgroße­reignissen erprobten Technologi­en auch durchsetze­n, ist aber nicht sicher. Die Branche der virtuellen Realität, von Quasi-Hologramme­n bis zu Games durch VR-Brille, hat sich auch drei Jahre später noch nicht recht etabliert.

Ähnlich ist es mit diversen Robotern, die japanische Betriebe immer wieder auf den Markt gebracht haben. Vor sechs Jahren öffnete etwa in Nagasaki das „Henna Hotel“, das von der Rezeption über den Concierge bis zur Kantine alles Robotern überlassen sollte. Nach und nach wurden die Maschinen wieder durch Menschen ersetzt. Expandiert hat die Hotelkette auch nicht wie geplant.

Nun aber könnte gerade die Pandemie, die für die Olympische­n Spiele von Tokio an sich ein großes Unglück ist, für die in ihrem Rahmen vorgestell­ten Roboter eine Chance sein. Denn abgesehen von den grüßenden Maskottche­n sind viele dazu da, menschlich­e Nähe zu ersetzen.

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GETTY IMAGES (2), IMAGO (2) In Japan sind Roboter Teil des Alltags. Robotiker Hiroshi Ishiguro baut menschenäh­nliche Maschinen – hier ein Android nach seinem Ebenbild.
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