„Kinder sind leider sehr teuer“
Eine überalterte Gesellschaft und immer weniger Geburten, das liegt auch an den japanischen Familienstrukturen. Auch die Arbeitswelt ist alles andere als familienfreundlich.
nach Japans Babyboom, war dieser Anteil mit 35,4 Prozent noch dreimal so hoch. In keinem Industriestaat leben relativ zur Gesamtbevölkerung so wenige Kinder wie in Japan. Zum Vergleich: Im benachbarten Südkorea sind laut dem demografischen Jahrbuch der Vereinten Nationen 12,2 Prozent unter 14 Jahre alt, in Italien 13,3 Prozent und im demografisch ebenfalls schnell alternden Deutschland 13,6 Prozent. In Österreich sind es 14.
Gesamtbevölkerung seit Jahren ab. Diese demografische Entwicklung ist einer der wichtigsten Gründe, warum auch Japans Volkswirtschaft schon länger stagniert. Wo die Zahl von Produzenten und Konsumenten abnimmt, wird es tendenziell schwieriger, weiterhin ein positives Wirtschaftswachstum zu erzielen. Vor allem der Kindermangel ist eine Hürde.
Die Pandemie hatte in dieser Sache für einen Funken Hoffnung gesorgt. Durch die Verlagerungen vieler Tätigkeiten ins Homeoffice und die Appelle der Regierung, die Menschen sollen möglichst zu Hause bleiben, hat die gemeinsam daheim verbrachte Tageszeit zugenommen. Und die oft ohnehin schon langen japanischen Arbeitstage haben sich bisher nicht selten dadurch noch ausgedehnt, dass Vorgesetzte nach Feierabend zum gemeinsamen Trinken aufforderten. Dies ist mit Beginn der Pandemie weniger geworden. Nur ist das Familienleben in Japan oftmals auf Funktionakurz
les reduziert. Man teilt sich seine Aufgaben auf, sieht sich morgens früh und abends spät. Nun, da sich die gemeinsam daheim verbrachte Zeit sprunghaft erhöht hat, ist dadurch nicht unbedingt eine neue Natur von Familiendasein entstanden. Im Gegenteil.
meldete das Gesundheitsministerium in Tokio, dass die Geburtenzahl im Januar dieses Jahres knapp 15 Prozent niedriger lag als im Vorjahresmonat. Für das gesamte Jahr 2020 wird davon ausgegangen, dass die Geburtenzahl insgesamt unter 850.000 gelegen haben wird. Auch dies wäre ein Rekordwert. Umso erstaunlicher, wenn man Japans Fertilitätsrate mit der typischerweise erwünschten Fertilität vergleicht: Vor der Pandemie brachte die durchschnittliche Frau in Japan über ihren Lebensverlauf 1,4 Kinder zur Welt, etwas weniger als etwa in Deutschland oder der Schweiz. Allerdings hätten die meisten Personen in Japan laut Befragungen gern zwei Kinder.
Warum gibt es dann nicht mehr Kinder? Yumi Nakata gibt die Antwort, die die meisten Frauen geben. „Die Ausbildung von Kindern kostet so viel. Allein eine öffentliche Schule kostet 40.000 Yen (rund 300 Euro, Anm.). Und das wäre noch günstig. Dann kommt noch Nachhilfeunterricht obendrauf.“Und der Staat springt kaum ein. Zwar gibt es seit einigen Jahren theoretisch die Möglichkeit, in Elternzeit zu gehen und Elterngeld zu beziehen. Aber praktisch nimmt dies kaum jemand wahr. Frauen berichten häufig, dass ihre Arbeitgeber Druck auf sie ausüben, nicht in Elternzeit zu gehen. Ansonsten stünden ihre Chancen im Betrieb fortan schlechter, und all die Arbeit sollten sie lieber nicht auf ihre Kollegen abwälzen. Dabei ist der Druck auf Frauen in der japanischen Arbeitswelt ohnehin hoch. Ihre Chancen auf Festanstellungen und Beförderungen sind niedriger. Unter Arbeitgebern herrscht weiterhin die Erwartung vor, dass sich weibliche Arbeitskräfte ohnehin mit der Schwangerschaft aus dem Job verabschieden und dann im Familienleben die Hausfrau übernehmen würden. So wird im Schnitt auch weniger ins Humankapital von Frauen investiert.
Aus rein pragmatischen Gründen täten Frauen mit Kinderwunsch daher gut daran, nach Männern mit einem festen und hohen Einkommen zu suchen. Das Problem: Auf Japans prekärem Arbeitsmarkt sind sie zusehends Mangelware. Rund die Hälfte der Menschen unter 25 Jahren hat keine Festanstellung. Und damit haben sie statistisch eine niedrigere Wahrscheinlichkeit, einmal Kinder zur Welt zu bringen. „Es sieht manchmal so aus, als sei es in Japan gar nicht gewollt, dass man Kinder kriegt und Familien gründet“, klagt Yumi Nakata. Zumindest werde es den Menschen schwer gemacht.