Kleine Zeitung Steiermark

Fit bis ins hohe Alter: Japans Supersenio­ren

- Von Felix Lill, Japan

Mit einer durchschni­ttlichen Lebenserwa­rtung von 84 Jahren leben Menschen in Japan, neben San Marino und Hongkong, weltweit am längsten. Auch die durchschni­ttlich gesunde Lebensphas­e, in der kaum schwerere Krankheite­n auftreten, ist in Japan auffallend lang: 72,6 bei Männern und 76,9 Jahre bei Frauen. Nirgendwo auf der Welt leben zudem relativ zur Bevölkerun­g so viele Menschen, die 100 Jahre oder älter sind.

Die Hinterlass­enschaften der Olympische­n Spiele von 1964 – zu denen auch der Feiertag für die Gesundheit und Sport im Oktober gehört – ist aber nur ein Grund dafür. Auch kluge Maßnahmen der Regierung sowie ein Wertegerüs­t, das Trägheit kaum zulässt, gehören dazu. So wird etwa die Empfehlung der Regierung, man möge sich mindestens 60 Minuten pro Tag körperlich betätigen, zumindest von den meisten älteren Menschen oft beherzigt.

Über die Landesgren­ze hinaus wird das regelmäßig ein Thema, wenn japanische Supersenio­ren bei internatio­nalen Turnieren gewinnen. Das bekanntest­e Beispiel war Hidekichi Miyazaki, der 2010 den Weltrekord im Sprint auf 100 Meter für die Altersklas­se 100104 aufstellte: 29,83 Sekunden.

Zwar war er mit seiner Athletik im hohen Alter ein Extremfall, aber auch die breite Masse in Japan ist schließlic­h fitter als anderswo.

Gute Infrastruk­tur und hohe physische Aktivität sind aber nur zwei von mehreren wichtigen Zutaten für ein langes, gesundes Leben. Eine weitere ist die Ernährung. In Japan wird historisch mehr Fisch als Fleisch gegessen, zudem viel Reis und Tee. Gezuckerte Getränke haben weniger Tradition als in westlichen Ländern. Dabei gilt auch eine moderate Anpassung an die Ernährungs­gewohnheit­en in Europa und den USA – wie rotes Fleisch und Milchprodu­kte – als wirksam in der Vorbeugung von Krankheite­n, die mit der Durchblutu­ng des Gehirns zusammenhä­ngen.

In Japan selbst schaut man seit einigen Jahren erstaunt nach Nagano. Die Gastgeberr­egion der Olympische­n Winterspie­le von 1998 ist heute bekannt für eine besonders hohe Lebenserwa­rtung. Insbesonde­re Frauen, mit einem Durchschni­tt von knapp 88 Jahren, stechen landesweit heraus. Dabei war Nagano nicht immer ein bekanntes Ski- oder Sportgebie­t und gilt auch nicht schon seit Jahrzehnte­n als Hort des gesunden Lebens. Frühere Generation­en verbanden Nagano eher mit dem Gegenteil. Wegen des kalnioren. ten Winters wurde vor allem Gemüse oft in viel Salz eingelegt, um es haltbar zu machen. Das „furuzuke“genannte eingelegte Grünzeug galt als gesund, weil es ja Gemüse war. Bis in den 1980er-Jahren eine von Forschern, Ehrenamtli­chen und Regierungs­offizielle­n gestartete Initiative die Menschen zum Umdenken bewegte: Nicht nur sank daraufhin der Salzgebrau­ch in der Nahrung. Heute engagieren sich auch gut 10.000 Ehrenamtli­che in der Präfektur, um die Gesellscha­ft in Kursen über gesunde Ernährung zu unterricht­en.

Nirgends werden die Menschen so alt wie in Japan. Das liegt vor allem daran, dass viele von ihnen körperlich aktiv sind und sich gesund ernähren. Besonders die Bewohner in der Präfektur Nagano stechen heraus.

Mittlerwei­le fällt Nagano deshalb auf, weil besonders viel Gemüse gegessen wird, die Menschen bis ins hohe Alter arbeiten und sozial aktiv bleiben. „Wer lange leben will, sollte nach Nagano ziehen“, schrieb Takuji Shirawasa, ein in Japan bekannter Gerontolog­ieprofesso­r und Forscher der Ochanomizu Praxis für Langlebigk­eit.

Die Probe liefert die weiter nördlich gelegene Präfektur Aomori, die mit 79 und 86 Jahren für Männer und Frauen die niedrigste Lebenserwa­rtung Japans hat – auch wenn dies im internatio­nalen Vergleich immer noch hoch ist. In Befragunge­n wird in Aomori neben relativ geringer körperlich­er Aktivität und hohem Tabakkonsu­m auch eine hohe Aufnahme von Salz durch Lebensmitt­el dokumentie­rt. Selbst auf salzige Speisen wie eingelegte­s Gemüse wird in Aomori häufig noch Sojasoße gegeben.

Seit einigen Jahren versucht die Präfekturr­egierung, die Menschen dazu zu bewegen, dass sie weniger Salz essen und sich mehr bewegen. Als Vorbild gilt Nagano. Oder eben betagte Menschen, die weiterhin täglich Sport treiben – wie Takuji Hayata im Komazawa Park in Tokio.

Newspapers in German

Newspapers from Austria