Doch: Zeit zum Essen
Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Institut für Philosophie TU Dresden
So kurz das Evangelium ist, so detektivisch kann man es lesen. Spurensuche 1: Zum ersten Mal fällt hier das Wort „Apostel“; offenbar prägte es Petrus seinem Schüler Markus als Wegmarke ein. Denn: Klar abgesetzt von anderen Jüngern oder Begeisterten erhielt eine neue Gruppe zwei Aufträge – als Auszeichnung. Nämlich: anstelle des Meisters zu lehren und zu heilen. Klingt einfach, ist es aber nicht. Später einmal klagten sie, sie hätten nichts ausrichten können, und die Antwort war scharf: … zu wenig Glaube! Nun treffen also die Lehrlinge wieder ein – müde und glücklich? Unglücklich? Man stelle sich das Gedränge, das Geschrei bei den Heilungen vor! Oder umgekehrt: Glaubte jemand ihren Worten? Erst einmal: Ruhe, Alleinsein, Essen …
Spurensuche 2: Bei den anrückenden Massen ist niemand mehr Herr der Lage. Wegfahren heißt nur, eine Völkerwanderung in Gang setzen. Welcher Hunger, welche Hoffnung, welche Sehnsucht! So ist doch wieder Er dran. Die Lehrlinge werden ungefragt mitgezogen: Mit der Ruhe ist es ein für alle Mal vorbei. Spurensuche 3: Sind es nur die körperlichen Heilungen, die anziehen? Bei der langen Wanderung konnten die Kranken ja gar nicht mitlaufen. Hatten die jüdischen, heidnischen, römischen Menschen, die Feld, Werkstatt, Haus verließen und sich um Jesus drängten, nicht genug Lehrer in den Synagogen und Tempeln? Aber: Hier ist ein anderer Duft, wie von frischem Brot, unwiderstehlich.
Wir verstehen ganz gut, was Hunger der Seele ist, wir leiblich Satten. Seit dieser schwebende Duft verraucht scheint, tauchen die esoterischen Brötchen auf. Sie sind teuer, brauchen Zeit zum Gewöhnen, verlangen Opfer, Lebensumstellungen … Aber der Hirte hat Mitleid, auch heute schickt er Helfer, und sogar wenn der Wein verdünnt wäre, merkt man noch die Qualität der Spitzenklasse. Es mag auch andere Angebote in der Auslage geben. Aber nur Er ist alles ganz: Essen, Trinken, Fülle, Ruhe … Wieder einmal Zeit, Seinen Tisch zu besuchen.