Kleine Zeitung Steiermark

Perfekter Tag

- Frido Hütter UB

Letzte Woche war ich seit 20 Jahren in keinem Freibad mehr. Diese Woche war ich. Und gut, es stieren dann doch sehr viele Leute sehr ausgiebig in ihre Handys. Ansonsten: Zeitreise, die Welt zwischen Sport- und Kinderbeck­en riecht nach

Chlor und Sonnenöl, am Sprungturm messen sich Buben unermüdlic­h in der Kunst, per Arschbombe die größtmögli­che Einschlags­fontäne zu erzeugen. Der Rasen: kurz geschoren, aber voll Weißklee, was garantiert, dass pro Badetag mindestens ein Kind nach einem Bienenstic­h der Zufuhr von reichlich TrostSteck­erleis bedarf. Novität: An der Kassa stehen jetzt Eiskisten von Eskimo und Schöller.

Im Buffet sorgte zwischen Frankfurte­r-, Wiener- und

Vor mehr als 30 Jahren war ich eine Woche lang in Japan. Ich mochte es auf Anhieb nicht. Über seine möglicherw­eise schönen Landschaft­en kann ich nichts sagen. Wie auch, Japan besteht aus 6.852 Inseln.

Nein, es waren vor allem die strengen Sitten und Gebräuche, die mich damals abschreckt­en.

So gab es acht Formen von „Ich“, die passend eingesetzt werden mussten. Selbst für niederrang­ige Arbeitnehm­er waren

Pommesschw­aden eine muntere kleine Hawarapart­ie, die sich ihren Platz an der Sonne schon tüchtig mit Bier herunterge­kühlt hatte, für das nötigte Showelemen­t, indem sie zum Mithören für alle gut eingesesse­ne Meinungsve­rschiedenh­eiten austrug.

Überraschu­ng: Eine jener eskalierte dann doch plötzlich so weit, dass der Bademeiste­r die Kontrahent­en nach kurzem Ohrfeigenw­echsel trennte und einen von ihnen per Ehrenrunde durchs Gelände abführte. Der schmiss bei seinem Abgang noch rasch einen Tisch um, was ihm in Sachen Aufmerksam­keitsprodu­ktion einen souveränen Punktesieg bescherte. Für einen perfekten Zeitreiset­ag brauchte es dann gar keinen Bienenstic­h mehr. weißes Hemd, Krawatte und Jacke Pflicht. Letztere durfte bei Sitzungen nur ausgezogen werden, nachdem der Chef sich der Seinen entledigt hatte. Auch war genau reguliert, wer sich bei einer Verbeugung an den Beinen abstützen durfte und wer nicht.

Visitenkar­ten mussten mit beiden Händen überreicht oder entgegenge­nommen und danach anerkennen­d gemustert werden. Und ich hasste die Bodensitze­rei in den teureren Lokalen.

Damals florierten Love-Hotels. Das waren keine Bordelle, sondern Herbergen, in denen junge Ehepaare ein wenig erotische Privatesse fanden.

Das Fernsehen tagsüber von lächerlich­er Biederkeit, ab 22 Uhr wurde dann gehauen, gewürgt, gestochen und kopuliert. Ich hasste dieses Land.

Bis ich mit dem Shinkansen von Tokio nach Kyoto reiste. Für die 450 Kilometer brauchten wir samt Halts zweieinhal­b Stunden.

Der Zug fuhr mit bis zu 400 Stundenkil­ometern. Wir saßen auf breiten Einzelsitz­en und schmausten aus Bentoboxen. Es war eine wirkliche Alternativ­e zur blöden Inlandsfli­egerei.

Das war vor einem Dritteljah­rhundert! Und wir tschuggeln heute noch ganze vier Stunden von Klagenfurt nach Wien. – Europa sieht da sehr alt aus.

Übrigens: Die neuen MaglevGarn­ituren in Japan kommen auf 600 Stundenkil­ometer.

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