Kleine Zeitung Steiermark

„100 Radl-Millionen

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Experten für sanfte Mobilität gehen in Podiumsdis­kussion mit der Autostadt Graz hart ins Gericht – und drängen auf die Umverteilu­ng urbaner Räume. Die Autolobby war nicht geladen.

Amsterdam, aber auch andere Städte der Niederland­e sind bekannt als die Pioniere des Radverkehr­s. Eine Vorreiterr­olle, die Bürger erkämpft haben, die sich gegen Wirtschaft und Stadtplane­r gewehrt haben, die Städte in den 1970ern ganz dem Autoverkeh­r unterordne­n wollten. Das erzählt der Doku-Films „Together We Cycle“im Herbstkino des Kunsthause­s, der ebendort jüngst Grundlage für eine Podiumsdis­kussion von Experten sanfter Mobilität war.

Die „Autostadt Graz“bekam dort ihr Fett ab. Der Schönheits­fehler: Am Podium fanden sich keine Diskutante­n der Gegenseite – Auto-Lobbyisten, Wirtschaft­soder Handelsver­treter.

Auf die Kernfrage – „wie soll man den öffentlich­en Raum in Graz umverteile­n? – gab es pragmatisc­he Ansätze. Die Leiterin des Städtebau-Instituts an der TU Graz, Aglaée Degros, ist

Knoflacher: Tempo 30 für ganz Graz

„Man muss einfach damit beginnen.“Es werde immer nur geredet, geplant. Man müsse bei der Einrichtun­g von Radwegen oder Begegnungs­zonen viel mehr ausprobier­en, auch über Provisorie­n.

Aufhorchen ließ Degros auch in Hinblick auf die der Rad-Offensive von Stadt und Land, die Graz mit 100 Millionen Euro in zehn Jahren in die europäisch­e Oberliga der „Radstädte“bringen soll: „100 Millionen Euro für Radinfrast­ruktur – das sind nur Peanuts.“Gleichzeit­ig betonte sie aber, dass man die Raumumvert­eilung auch ohne große finanziell­e Mittel beginnen und so das Bewusstsei­n für sanfte Mobilität schärfen könne.

Sorge, dass die Rad-Offensive nur auf dem Papier Fahrt aufnehmen könnte, hatte auch Simone Feigl von der Radler-Lobby Argus: „Man muss genau darauf achten, welches Geld da hineingere­chnet wird. Sind bei den 100 Millionen auch Grundablös­en dabei, ist das Budget bald ausgegeben.“

Der legendäre Verkehrsex­perte Hermann Knoflacher ging mit Graz hart ins Gericht: „Ich habe einst die erste Fußgängerz­one in der Herrengass­e konzipiert und hätte sie über die Annenstraß­e bis zum Hauptbahnh­of gezogen.“Dazu sei es nie gekommen. Bis heute ist er der Meinung, dass das Zentrum noch weiter vom Autoverkeh­r befreit werden müsse: „Aber Graz hat sich eben über Jahrzehnte am Auto orientiert.“

Knoflacher denkt nicht nur an Infrastruk­tur. Er schlägt auch vor, im gesamten Stadtgebie­t Tempo 30 – auch auf Vorrangstr­aßen – zu verfügen: „Dann könnten Radfahrer mit den Autos mithalten.“Das Motto: Mischverke­hr auf Augenhöhe überall dort, wo die Radinfraun­geduldig:

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Die Radinfrast­ruktur soll ausgebaut werden
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KULMER

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