Hat Kurz Betreuung sabotiert?
Was ist die Kronzeugenregelung?
Die Kronzeugenregelung kann unter bestimmten Voraussetzungen im Ermittlungsverfahren von Beschuldigten in Anspruch genommen werden. So etwa, wenn das Verfahren von der WKStA geführt wird, wie Schumann erklärt. Ein Kronzeuge müsse dabei von sich aus auf die Staatsanwaltschaft zugehen, die eigene Beteiligung reumütig zugeben und zusätzlich neue Informationen präsentieren, die wesentlich zur Findung der Wahrheit beitragen. In Folge prüfen die Ermittlerinnen und Ermittler die Aussagen. Der beschuldigten Person winkt dann - unter Auflagen - eine diversionelle Einstellung des Verfahrens, beziehungsweise Strafmilderung.
Warum sind die Chats öffentlich?
ANTWORT: Die Ermittlungen der WKStA sind Teil des CASAG-Verfahrens. Dieses listet mittlerweile 27 Beschuldigte. Sie alle – und all ihre Anwälte – haben Akteneinsicht in den gesamten Ermittlungsakt. Dabei werden verschiedene Personen in unterschiedlichen Ermittlungssträngen verdächtigt. Nicht alle Beschuldigten stehen einander persönlich oder politisch nahe. Wer Einsicht hat, darf prinzipiell auch im nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren Akten an Dritte weitergeben, dazu im Folgenden mehr. Manche Aktenteile sind von der Einsicht vorerst ausgenommen und können erst dann von den
Beschuldigten eingesehen werden, wenn sie von der Staatsanwaltschaft freigegeben werden. So kam etwa die Anordnung zur Hausdurchsuchung logischerweise erst nach der Durchführung in den Akt – und wurde dann schnell öffentlich. Auch die WKStA und anderes juristisches Personal hat Akteneinsicht und nicht jede Weitergabe von Information an Medien verletzt das Amtsgeheimnis.
Ist die Weitergabe von Akten legal?
Ja, aber unter bestimmten Umständen. Wer als Beschuldigter Akteneinsicht hat, darf diese Akten kopieren und auch weitergeben – vorausgesetzt, die personenbezogenen Daten anderer Personen bleiben außen vor. Ist das öffentliche Interesse größer als das Geheimhaltungsinteresse, dürfen sogar diese Informationen – etwa Namen weiterer Beschuldigter – weitergegeben werden. So sollen Beschuldigte sich auch öffentlich verteidigen können. In Verfahren mit vielen Beschuldigten könnte „auch schon eine Einordnung der Gesamtzusammenhänge
im Interesse der Verteidigung des einzelnen Beschuldigten sein“, erklärt Schumann. Auch die Staatsanwaltschaft kann in engen Grenzen Medienarbeit leisten – etwa wenn Informationen im öffentlichen Interesse sind.
Dürfen Medien aus den Akten zitieren?
ANTWORT: Ja, so lange das Medienrecht gewahrt wird und persönliche Informationen, bei denen das öffentliche Interesse nicht überwiegt – etwa Telefonnummern – geschwärzt werden.
Es ist ein sichergestellter und nun öffentlich gewordener SMS-Austausch aus dem Juni 2016, der die aktuelle Debatte ins Rollen gebracht hat. Der damalige Kabinettschef im Finanzministerium, Thomas Schmid, informiert darin den damaligen Außenminister Sebastian Kurz über eine mögliche Einigung, die zwischen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bevorstehen soll.
Man sei in Verhandlungen über einen massiven, 1,2 Milliarden Euro schweren Ausbau der schulischen Nachmittagsbetreuung. Kurz, der mit einem Erfolg der rot-schwarzen Regierung damals wenig Freude hatte, antwortet per SMS: „Gar nicht gut!!! Kannst du das aufhalten?“Und er denkt schriftlich über Einflussmöglichkeiten seinerseits nach: „Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“
Die SPÖ sieht in diesen bekannt gewordenen Chats den Beweis dafür, dass Kurz im Zuge seines Macht-Pokers „einen Vorteil für Hunderttausende Familien verhindert“habe. So formulierte es Parteichefin Rendi-Wagner.
Ein Blick zurück: Der Ausbau der Kinderbetreuung sollte damals als großer erster Wurf unter dem frisch angelobten Kanzler Kern präsentiert werden. Die Idee: Der Ausbau sollte durch die sogenannte „Bankenmilliarde“finanziert werden. Dabei geht es um Erlöse aus der in der Finanzkrise reformierten Bankenabgabe.
Es war aber vorgesehen, die Länder bei der Auszahlung quasi zu umgehen. Denn geplant war eine direkte Vereinbarung zwischen Bund und Gemeinden.
Ende Juli einigt sich die Regierung nach zähen Verhandlungen darauf, 750 Millionen Euro für den Ausbau bereitzustellen, um bis 2025 rund 40.000 neue Nachmittagsbetreuungsplätze zu schaffen. Nachdem sich die Länder aber erfolgreich bei der Frage der Verteilungskompetenz hineinreklamieren, dürfen sie nach Einigung über die Verwendung eines Drittels der Summe selbst entscheiden.
Hat Kurz den Ausbau der Kinderbetreuung also verhindert? Nein, der Großteil der geplanten Mittel für diesen Ausbau wurde freigegeben und fließt seit 2017. Zwei Jahre später wurde der Zeitraum für die Abrufung der Finanzierungsmittel aber bis 2032 gestreckt und die jährlichen Mittel damit gekürzt.