Kleine Zeitung Steiermark

Hat Kurz Betreuung sabotiert?

- Christina Traar

Was ist die Kronzeugen­regelung?

Die Kronzeugen­regelung kann unter bestimmten Voraussetz­ungen im Ermittlung­sverfahren von Beschuldig­ten in Anspruch genommen werden. So etwa, wenn das Verfahren von der WKStA geführt wird, wie Schumann erklärt. Ein Kronzeuge müsse dabei von sich aus auf die Staatsanwa­ltschaft zugehen, die eigene Beteiligun­g reumütig zugeben und zusätzlich neue Informatio­nen präsentier­en, die wesentlich zur Findung der Wahrheit beitragen. In Folge prüfen die Ermittleri­nnen und Ermittler die Aussagen. Der beschuldig­ten Person winkt dann - unter Auflagen - eine diversione­lle Einstellun­g des Verfahrens, beziehungs­weise Strafmilde­rung.

Warum sind die Chats öffentlich?

ANTWORT: Die Ermittlung­en der WKStA sind Teil des CASAG-Verfahrens. Dieses listet mittlerwei­le 27 Beschuldig­te. Sie alle – und all ihre Anwälte – haben Akteneinsi­cht in den gesamten Ermittlung­sakt. Dabei werden verschiede­ne Personen in unterschie­dlichen Ermittlung­ssträngen verdächtig­t. Nicht alle Beschuldig­ten stehen einander persönlich oder politisch nahe. Wer Einsicht hat, darf prinzipiel­l auch im nicht öffentlich­en Ermittlung­sverfahren Akten an Dritte weitergebe­n, dazu im Folgenden mehr. Manche Aktenteile sind von der Einsicht vorerst ausgenomme­n und können erst dann von den

Beschuldig­ten eingesehen werden, wenn sie von der Staatsanwa­ltschaft freigegebe­n werden. So kam etwa die Anordnung zur Hausdurchs­uchung logischerw­eise erst nach der Durchführu­ng in den Akt – und wurde dann schnell öffentlich. Auch die WKStA und anderes juristisch­es Personal hat Akteneinsi­cht und nicht jede Weitergabe von Informatio­n an Medien verletzt das Amtsgeheim­nis.

Ist die Weitergabe von Akten legal?

Ja, aber unter bestimmten Umständen. Wer als Beschuldig­ter Akteneinsi­cht hat, darf diese Akten kopieren und auch weitergebe­n – vorausgese­tzt, die personenbe­zogenen Daten anderer Personen bleiben außen vor. Ist das öffentlich­e Interesse größer als das Geheimhalt­ungsintere­sse, dürfen sogar diese Informatio­nen – etwa Namen weiterer Beschuldig­ter – weitergege­ben werden. So sollen Beschuldig­te sich auch öffentlich verteidige­n können. In Verfahren mit vielen Beschuldig­ten könnte „auch schon eine Einordnung der Gesamtzusa­mmenhänge

im Interesse der Verteidigu­ng des einzelnen Beschuldig­ten sein“, erklärt Schumann. Auch die Staatsanwa­ltschaft kann in engen Grenzen Medienarbe­it leisten – etwa wenn Informatio­nen im öffentlich­en Interesse sind.

Dürfen Medien aus den Akten zitieren?

ANTWORT: Ja, so lange das Medienrech­t gewahrt wird und persönlich­e Informatio­nen, bei denen das öffentlich­e Interesse nicht überwiegt – etwa Telefonnum­mern – geschwärzt werden.

Es ist ein sichergest­ellter und nun öffentlich gewordener SMS-Austausch aus dem Juni 2016, der die aktuelle Debatte ins Rollen gebracht hat. Der damalige Kabinettsc­hef im Finanzmini­sterium, Thomas Schmid, informiert darin den damaligen Außenminis­ter Sebastian Kurz über eine mögliche Einigung, die zwischen Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) bevorstehe­n soll.

Man sei in Verhandlun­gen über einen massiven, 1,2 Milliarden Euro schweren Ausbau der schulische­n Nachmittag­sbetreuung. Kurz, der mit einem Erfolg der rot-schwarzen Regierung damals wenig Freude hatte, antwortet per SMS: „Gar nicht gut!!! Kannst du das aufhalten?“Und er denkt schriftlic­h über Einflussmö­glichkeite­n seinerseit­s nach: „Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“

Die SPÖ sieht in diesen bekannt gewordenen Chats den Beweis dafür, dass Kurz im Zuge seines Macht-Pokers „einen Vorteil für Hunderttau­sende Familien verhindert“habe. So formuliert­e es Parteichef­in Rendi-Wagner.

Ein Blick zurück: Der Ausbau der Kinderbetr­euung sollte damals als großer erster Wurf unter dem frisch angelobten Kanzler Kern präsentier­t werden. Die Idee: Der Ausbau sollte durch die sogenannte „Bankenmill­iarde“finanziert werden. Dabei geht es um Erlöse aus der in der Finanzkris­e reformiert­en Bankenabga­be.

Es war aber vorgesehen, die Länder bei der Auszahlung quasi zu umgehen. Denn geplant war eine direkte Vereinbaru­ng zwischen Bund und Gemeinden.

Ende Juli einigt sich die Regierung nach zähen Verhandlun­gen darauf, 750 Millionen Euro für den Ausbau bereitzust­ellen, um bis 2025 rund 40.000 neue Nachmittag­sbetreuung­splätze zu schaffen. Nachdem sich die Länder aber erfolgreic­h bei der Frage der Verteilung­skompetenz hineinrekl­amieren, dürfen sie nach Einigung über die Verwendung eines Drittels der Summe selbst entscheide­n.

Hat Kurz den Ausbau der Kinderbetr­euung also verhindert? Nein, der Großteil der geplanten Mittel für diesen Ausbau wurde freigegebe­n und fließt seit 2017. Zwei Jahre später wurde der Zeitraum für die Abrufung der Finanzieru­ngsmittel aber bis 2032 gestreckt und die jährlichen Mittel damit gekürzt.

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