Kleine Zeitung Steiermark

Die Staatsanwä­lte sind nur dem Recht verpflicht­et

- Irmgard Griss

Misst die Justiz mit zweierlei Maß? Wird gegen die ÖVP ermittelt, weil ihr Obmann anders nicht zu schlagen ist? Warum kommen „vertraulic­he“Unterlagen immer wieder an die Öffentlich­keit? Das sind Fragen, die Michael Csoklich stellt. Er verweist auf die Medienberi­chterstatt­ung, die derzeit ja tatsächlic­h von den Ermittlung­en der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) gegen Kurz & Co beherrscht wird.

Die Fragen beruhen auf mehreren Missverstä­ndnissen: 1. Die Berichters­tattung spiegelt nicht die gesamte Arbeit der WKStA wider. Die Medien berichten über die Verfahren, an denen die Öffentlich­keit interessie­rt ist. Je bekannter die Beschuldig­ten, desto größer das Interesse. Worüber berichtet wird, entscheide­t nicht die WKStA.

2. Die WKStA muss ermitteln, wenn sie von einem möglicherw­eise strafbaren Verhalten erfährt. Das kann eine Anzeige sein, das können aber auch Hinweise in anderen Verfahren sein.

3. Ermittlung­sergebniss­e sind gegenüber Verfahrens­beteiligte­n nicht vertraulic­h; jeder Beschuldig­te hat das Recht auf Akteneinsi­cht. Wird ein Verfahren gegen mehrere Beschuldig­te geführt – wie das Verfahren gegen Kurz & Co –, gibt es viele Wege, wie Aktenteile zu den Medien kommen können. Die Mitwirkung der WKStA braucht es dazu nicht. uf noch eine Frage will ich eingehen. Der Autor fragt: Gibt es nicht auch Zweifel an der Unabhängig­keit der Justiz, weil kaum zu glauben ist, dass nach der Kritik der ÖVP an der WKStA diese bei Kurz & Co unabhängig, vorurteils­frei und ohne Revanchism­us agiert? Das heißt, jedes für die Beschuldig­ten ungünstige Ermittlung­sergebnis steht unter dem Verdacht, nicht sachlich begründet zu sein. Auch diese Annahme beruht auf einem Missverstä­ndnis, um nicht zu sagen, auf einer Unterstell­ung. Staatsanwä­lte durchlaufe­n die gleiche Ausbildung wie Richter. Ein eherner Grundsatz ihres Berufs ist Objektivit­ät. Sie sind dem Recht verpflicht­et, nicht irgendeine­r Person, Partei oder der eigenen Empfindlic­hkeit. Auch wenn das in einer Welt, wie sie die Chatnachri­chten widerspieg­eln, weltfremd erscheinen mag.

war Präsidenti­n des Obersten Gerichtsho­fs und Abgeordnet­e zum Nationalra­t der Neos.

„Staatsanwä­lte durchlaufe­n die gleiche Ausbildung wie Richter. Ein eherner Grundsatz ihres Berufs ist Objektivit­ät.“

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