Verspielter Spielraum
Das Budget 2022, das die Koalition vorlegt, sagt im Wesentlichen: „Alles wird wie früher.“Wenig, angesichts der Möglichkeiten, die sie hätte – und der Herausforderungen vor uns.
Es ist, wenn man einmal über den Wellengang der Tagespolitik hinwegschaut, keine schlechte Zeit, um Finanzminister der Republik Österreich zu sein.
Denn erstens springt der Konjunkturmotor gerade wieder an, allem Anschein nach sogar stärker als vor Beginn der Pandemie. Zweitens ist mit der Covid-Krise das Verständnis dafür gewachsen, dass sich Staaten für Investitionen verschulden, teils sogar in EUSchuldengemeinschaft. Und drittens liegt diese Zeit an einem nahezu magischen Kreuzungspunkt der Nationalökonomie: Die Inflation steigt spürbar, sie wird in den kommenden Jahren Milliarden mehr als erwartet in die Staatskassen spülen (auf Kosten der Sparer übrigens) – aber die Zinsen, die Österreich für seine langfristigen Schulden zahlen muss, ziehen noch nicht nach und bleiben vorerst märchenhaft niedrig.
Teile dieser Voraussetzungen, wie die Zinspolitik, liegen fernab dessen, was Österreich allein beeinflussen kann. Die Pandemiebekämpfung dagegen kann sich die Koalition auf die Fahnen schreiben – und trotz einiger grober Schnitzer (manche Unternehmen warten noch immer auf Hilfen, andere wurden grotesk überfördert) kann man sagen: Die Hilfsmaßnahmen haben gewirkt, Österreichs Wirtschaft ist einigermaßen gut durch die Krise gekommen.
Die Koalition kann also durchaus stolz auf den Spielraum sein, den sie sich hier erarbeitet hat. Aber was macht sie nun daraus? Das türkis-grüne Budget 2022 und der Langzeitplan bis 2025, die Blümel und die Koalition dieser Tage durch das Parlament bringen, besteht im Wesentlichen aus einer Fortschreibung des Vor-Krisenplans plus der bereits vor eineinhalb Wochen präsentierten „ökosozialen“Steuerreform.
Sehr verkürzt gesagt lautet die „message“, die sich durch die 3400 Seiten Budget zieht: Eigentlich bleibt alles, wie es ist. Ja, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zahlen etwas weniger Steuern, aber ungefähr nur um jenen Betrag, den sie dank Inflation mehr an den Staat abführen. Dazu kommt die CO2-Bepreisung – aber zunächst zu niedrig, und die Einnahmen werden mit der Gießkanne umverteilt. sychologisch kann man diese solid unambitionierte Budgetplanung verstehen: „Alles bleibt, wie es ist“ist nach einer Pandemie eine Botschaft, die man gerne hört.
Gemessen an den Möglichkeiten ist es aber mager. Wo sind die strukturellen Reformen, das „Sparen im System“? Welche Weichenstellungen setzt die Regierung, um den demografischen Risiken zu begegnen, wenn mit der Alterung der geburtenstarken BabyboomerJahrgänge die Kosten für Pensionen und Pflege explodieren? Ist es vertretbar, dass die Steigerung im Bildungsbudget praktisch ausschließlich für die Ausgaben für die Covid-Teststruktur aufgeht?
Ja, ein solches Budget kann man nach einer Pandemie vorlegen. Einmal. Aber darauf müssen schnell größere Würfe folgen – sonst ist der Spielraum vertan.
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