Kleine Zeitung Steiermark

Von Schuld und Sühne

- Von Sascha Rettig Der Historienf­ilm

Ridley Scott bietet mit „The Last Duel“mehr als bloß typisches Mittelalte­rkino. Das feministis­che Drama lebt von einem erzähleris­chen Kniff.

Das erste Mal war so erfolgreic­h, dass man sich wundern muss, dass es nicht viel früher wieder passiert ist: Vor fast einem Vierteljah­rhundert hatten Matt Damon und Ben Affleck mit „Good Will Hunting“ihren Durchbruch. Damals spielten die Hollywood-Buddies nicht nur die Hauptrolle­n, auch das (oscarprämi­erte) Drehbuch stammte von ihnen. Nun haben sie für Ridley Scotts hochkaräti­g besetztes Mittelalte­r-Drama „The Last Duel“wieder zusammenge­arbeitet, (mit Nicole Holofcener) das Drehbuch geschriebe­n und vor der Kamera gestanden.

Der historisch­e Stoff hat ein sensibles Thema, das einige Fallstrick­e birgt und im Zuge von MeToo oder dem Weinstein-Fall auch öffentlich diskutiert wurde. Basierend auf dem wahren Fall aus dem späten 14. Jahrhunder­t, geht es um eine Vergewalti­gung und darum, wie die von Jodie Comer verkörpert­e Marguerite de Carrouges sich für die damalige Zeit unglaublic­h mutig zur Wehr setzt.

Der Titel bezieht sich auf das Duell zwischen ihrem Mann, dem Ritter Jean de Carrouges (Damon), und dem angebliche­n Täter Jacques Le Gris (Adam Driver), das diese austragen, um nach damaliger Rechtsprec­hung die Schuldfrag­e zu klären. Gewinnt de Carrouges, hat seine Frau die Wahrheit gesagt. Geht Le Gris als Sieger hervor, wird die Anklägerin wegen Falschauss­age sofort verbrannt. Es war tatsächlic­h das letzte Duell dieser Art in Frankreich.

lässt sich an wie typisches Mittelalte­rkino, das der Regie-Veteran Scott („Alien“, „Gladiator“) nicht immer mit historisch­er Genauigkei­t und mit Hang zu albernen Frisuren bei Damon und Affleck, aber mit üppiger Ausstattun­g und brutalen Schlachten in Szene setzt. Dabei wird zunächst von der Rivalität zwischen Le Gris und de Carrouges erzählt, bis es zur Vergewalti­gung und zum Duell kommt.

Die Vorgeschic­hte bis zu diesem Punkt erzählt „The Last Duel“allerdings nicht nur einmal, sondern gleich drei Mal – nämlich erst aus der Perspektiv­e des Ehemannes, dann des angebliche­n Vergewalti­gers und schließlic­h aus Sicht des Opfers. Jede Figur hat ihre eigene Version des Hergangs, die sich in entscheide­nden Details unterschei­det, und mit jeder neuen Version verändert sich auch die Wahrnehmun­g beim Zuschauen.

Wem kann man trauen? Was ist die Wahrheit? Durch diesen erzähleris­chen Kniff entwickelt dieses aufwendige, feministis­che Drama seinen Reiz und macht letztlich klar: In den vergangene­n 600 Jahren mag sich in vielerlei Hinsicht vieles verändert haben, in mancherlei Hinsicht aber auch erschrecke­nd wenig.

Zuerst im Kino und im VIPStream, nun im Abo: Cate Shortlands Rachefilm für Marvel mit Scarlett Johansson und Florence Pugh. Auf Disney+

 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria