Beiläufige „Blutspuren“
Die Comics der Israelin Rutu Modan entfalten vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts fast beiläufig eine enorme Sogwirkung.
Aus dem Alltäglichen heraus entfaltet Rutu Modan in ihren Geschichten eine große Wirkung. Die israelische Graphic-Novel-Künstlerin spinnt dünne Fäden, die am Ende das Netz eines ungeheuer komplexen sozialen Geflechts ergeben.
Wie in „Blutspuren“, einer Geschichte, die gerade eben als Paperback bei Carlsen erschienen ist: Vor dem Hintergrund eines Anschlages erzählt Modan die Geschichte des Taxifahrers Kobi Franco. Als sich eines Tages eine gewisse Numi Hermann bei ihm meldet, die behauptet sein Vater wäre möglicherweise bei dem Anschlag ums Leben gekommen, nimmt die Spurensuche Fahrt auf – aber nur beiläufig, wie alles bei Rutu Modan. Beziehungen, Nahostkonflikt, Trauer – irgendwie beiläufig. Vielleicht gelingt es Modan gerade deshalb, eine Sogwirkung zu erzielen, die den Alltag der Menschen in Israel lebendig macht.
„Tunnel“, die auch bei Carlsen erschienen ist, entfaltet Modan ein Abenteuer im Indiana-Jones-Stil. Nili Broshi, Tochter eines berühmten Archäologen, begibt sich auf eine Reise, die in das Westjordanland führt, um die Bundeslade zu finden: „Die schlechte Nachricht ist: Sie liegt hinter dieser Mauer vergraben, auf einem Gebiet, das die linken Verräter den Arabern überlassen haben“, sagt einer der Protagonisten. Araber, Juden, am Ende auch Terroristen mischen mit.
Die in Tel Aviv lebende Modan erzählt meisterhaft – dabei gelingt der Eisner-Award-Preisträgerin stets das Kunststück, schwierigste Themen mit Humor zu garnieren. Das ist der an der Bezalel Academy of Art and Design lehrenden Modan auch schon in „Das Erbe“gelungen, wo die Reise einer alten jüdischen Dame nach Polen vor dem Hintergrund der Shoah erzählt wird.
Blutspuren.
168 Seiten, 13,40 Euro.
Das Erbe. 224 Seiten, 25,60 Euro. Tunnel. 280 Seiten, 28,80 Euro. Jeweils Carlsen-Verlag, carlsen.de
Niemand hat das System der Selbstausbeutung so wütend analysiert wie der britische Starregisseur Ken Loach in seinem letzten Film „Sorry We Missed You“über einen Paketboten und Franchise-Fahrer, der sich abrackert und dennoch nicht aus der Schuldenmisere kommt.
Überarbeitet, unterbezahlt und alleinerziehend ist auch Volker (Bjarne Mädel) im Fernsehfilm „Geliefert“. Er ist der Loser der Zustellfirma, hat 13-Stunden-Dienste und immer Ärger mit dem Chef. Als Fußballcoach wurde er kaltgestellt, immerhin darf er noch die Jugend trainieren. Die Maturareise des Sohnes, eine Nachzahlung und eine kaputte Waschmaschine kratzen am kargen Budget und immer stärker auch am Selbstwertgefühl. Die Lebensmittel holt er sich im Supermarkt-Container. B jarne Mädel berührt im Drama von Jan Fehse, das ohne vorgezeichnete Schemata auskommt. Er verkörpert den Kampf eines ehrlichen Mannes für ein bisschen Respekt unglaublich authentisch. Das könnte daran liegen, dass er früher einmal selber Pakete zustellte.
Fix ist: Der Ex-„Tatortreiniger“bereichert das Männerbild im deutschen TV. Großartig auch, dass man trotz bester Liebeserklärung nicht im Kitsch versumpfte: „Bleib so, wie du bist. Von den anderen gibt es schon genug!“, bekommt Volker zu hören. Gilt auch für Mädel.