Kleine Zeitung Steiermark

Unwürdig und unzeitgemä­ß

Die ORF-Gebühren steigen von 17,21 auf 18,59 Euro pro Monat. Über die Notwendigk­eit einer Haushaltsa­bgabe und über eine Politik, die gestaltet, indem sie untätig bleibt.

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Es ist ungefähr der Preis von einem Liter Benzin: 1,38 Euro. So viel werden Gebührenza­hler voraussich­tlich ab März 2022 zusätzlich pro Monat an den ORF zahlen. Die Erhöhung des Programmen­tgelts um acht Prozent passierte gestern mit deutlicher Mehrheit den Stiftungsr­at, und es ist nicht zu erwarten, dass Instanzen wie der Publikumsr­at dem Vorhaben noch Steine in den Weg legen werden. Die geringe öffentlich­e Erregung über die Gebührener­höhung – beziehungs­weise „Anpassung“, wie sie die ORF-Führung verstanden haben will – hat der ORF ausgerechn­et der Regierung zu verdanken. Im Schatten der türkis-grünen Krise verkümmert­e die erwartbare Gebührende­batte zu einem Debatterl, und bloß die hochfreque­nt ausgestrah­lten GIS-Werbungen erinnerten an die anstehende Erhöhung.

Das passt ins Bild der vergangene­n Jahre, in denen Regierunge­n in verschiede­nen Konstellat­ionen den größten Einfluss auf den ORF nahmen, indem sie tatenlos blieben. Dringend notwendige Reformen, um dem öffentlich-rechtliche­n Rundfunk eine zeitgemäße digitale Entfaltung zu ermögliche­n und den öffentlich-rechtliche­n Auftrag zu aktualisie­ren, werden seit Jahren geflissent­lich ignoriert. Stattdesse­n dient der ORF als bequemer Reibebaum für das eigene Parteiprof­il. Mit verantwort­ungsvoller Medienpoli­tik ist eben wenig zu gewinnen.

Dabei wird die Struktur rund um den ORF mit jedem Jahr ungesünder. Erstens: Während das Gebührensy­stem auf das Fernsehver­halten der 90er mit einem Mutter-Vater-Kind-Fernseher-Idyll aufsetzt, hat sich das Nutzungsve­rhalten vieler Menschen massiv geändert – Stichwort Streaming. Die Lösung wäre eine Haushaltsa­bgabe, um für mehr Fairness zu sorgen. Zweitens: Die zusätzlich­en Ländergebü­hren und Steuern verzerren die Wahrnehmun­g und waren von Beginn an ein Konstrukti­onsfehler: Warum sollen bloß GIS-Zahler für Musikschul­en aufkommen? Es braucht endlich eine Kostenwahr­heit: Ein Netflix-Abo kostet etwa 12,99, der ORF 18,58 Euro. Drittens: Die Politik schimpft zwar auf die Gebührener­höhung, zugleich lässt sie „ihre“Stiftungsr­äte zustimmen. Die Gelegenhei­t, die Gebührener­höhung als Anlass für eine sachliche Diskussion über den ORF der Zukunft zu nutzen, verstreich­t ungenutzt. Viertens: Die Stiftungsr­äte bestimmen, die Seherinnen und Seher zahlen. Ein echtes Mitsprache- und Mitbestimm­ungsrecht des Publikumsr­ats täte not. ür die 3,66 Millionen Beitragsza­hler ist die Erhöhung ärgerlich bis schmerzlic­h. Zwar bleibt die Gebührenan­passung mit acht Prozent unter der kumulierte­n Inflations­rate, dennoch fällt sie deutlich aus und tut in Zeiten allgemein steigender Preise doppelt weh. Deswegen darf sie nicht als Selbstvers­tändlichke­it missversta­nden werden: Dieser finanziell­e Vertrauens­vorschuss an den ORF gibt diesem Planungssi­cherheit und verpflicht­et ihn, jeden Beitragseu­ro umzudrehen, bevor er ausgegeben wird. Das ist der ORF seinem Publikum schuldig.

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