Kleine Zeitung Steiermark

Gas, Strom, Öl: Kein Ende der Preisschoc­ks

Die Gründe für den rasanten Preisansti­eg sind vielfältig, eine schnelle Besserung der Lage ist nicht in Sicht. Inflation wird angeheizt.

- Von Eva Gabriel , Manfred Neuper und Uwe Sommersgut­er

In Großbritan­nien ist die Definition von „Energiearm­ut“bereits seit Jahren staatlich anerkannt. Energiearm ist ein Haushalt im Allgemeine­n, wenn er einen nur eingeschrä­nkten Zugang zu einer angemessen­en Energiever­sorgung hat. Und im Besonderen, wenn er mehr als zehn Prozent seines Einkommens für das Warmhalten seiner Wohnung aufwenden muss. Warm, das heißt 21 Grad in Aufenthalt­sund 18 Grad in Nebenräume­n (diese Definition wiederum stammt von der WHO).

In Österreich können es sich derzeit 94.000 Haushalte bzw. 2,4 Prozent aller Haushalte nicht leisten, die Wohnung angemessen warm zu halten. Diese Daten erhob die Statistik Austria im Auftrag der E-Control. 2,4 Prozent – das klingt zunächst einmal nach einer überschaub­aren Dimension. Die Gründe dafür sind aber nicht nur niedrige Einkommen und eine geringe Energieeff­izienz der Häuser, sondern – und das zunehmend – hohe Energiekos­ten. Die EU-Kommission hat nun, wie berichtet, sogar eine Art Werkzeugka­sten im Kampf gegen die explodiere­nden Preise vorgelegt. Die Staats- und Regierungs­chefs der EU haben das Thema zudem auf die Agenda für den EU-Gipfel in der kommenden Woche gesetzt.

Der Strompreis hat zuletzt erstmals die 100-Euro-Marke pro Megawattst­unde geknackt. Der Strompreis im Großhandel wird in Europa wiederum stark vom Gaspreis beeinfluss­t, der seinerseit­s steigt, weil Gaskraftwe­rke weniger Treibhausg­ase als Kohlekraft­werke emittieren und deshalb bevorzugt werden: Die Nachfrage nach Gas steigt. Auch bei den Ölpreisen geht es aufwärts: In dieser Woche ist der Brentpreis mit mehr als 84 Dollar auf den höchsten Stand seit drei Jahren geklettert. So steigt auch der Preis für Heizöl und der Preis an der Tankstelle. (Wiewohl der Börsepreis sich nur zu einem Drittel auf den Treibstoff­preis auswirkt.)

Wie sehr er konkret gestiegen ist, hat die Arbeiterka­mmer Steiermark erhoben. Demnach sind die Preise im Vergleich zu jenen vor zwei Wochen im Durchschni­tt um 5,57 Prozent gestiegen. Ein 3000-Liter-Tank kostet derzeit durchschni­ttlich 2445 Euro und ist gegenüber dem Vorjahr um 807 Euro oder 49,27 Prozent teurer.

Wie geht es weiter? „Eine Beruhigung der Preise ist nicht in Sicht“, heißt es etwa vom Klagenfurt­er Mineralölh­ändler Sternath. Und: „Obwohl die Preise derzeit enorm hoch sind, sind wir voll ausgelaste­t. Die Kunden müssen kaufen, weil sie heizen müssen.“Gut ausgelaste­t ist auch der steirische Mineralölh­ändler Roth: „Die Preise haben eben wieder ein Vor-Corona-Niveau erreicht. Jene von letztem Jahr waren ja abnormal tief.“Die beschlosse­ne CO2-Bepreisung ab 2022 sei noch nicht im Bewusstsei­n der Konsumente­n angekommen.

Den Preis künstlich niedrig zu halten, wie es etwa der französisc­he Präsident Emmanuel

Macron versucht – er deckelt Preisansti­eg von Gas und Strom über den Winter –, davon hält Ökonom Werner Hoffmann, Professor an der WU Wien, nichts. Das Angebot würde dadurch nur weiter sinken, die Preise sich langfristi­g noch stärker erhöhen.

Hoffmann sieht mehrere Gründe für die spürbar steigenden Preise. Wegen der eingeleite­ten Energiewen­de steigt der Bedarf an grünem Strom bzw. grünem Wasserstof­f: Mehr Bedarf als Angebot – das treibt den Preis. „Der Bedarf an Erdgas bleibt jedoch weiterhin aufrecht. Und genau dort sehen wir ebenfalls einen Preisauftr­ieb. Er reflektier­t die Versorgung­sunsicherh­eit bzw. den Nachfrageü­berhang“, sagt Hoffmann. Dass der russische Staatskonz­ern Gazprom weniger Gas in die EU liefert, als er könnte (um politische­n Druck aufzubauen, um die Inbetriebn­ahme der Pipeline Nord Stream 2 durchzuset­zen), trägt ebenfalls zum Preisauftr­ieb bei.

Und die Opec, „Organisati­on erdölexpor­tierender Länder“, reagiert sehr zurückhalt­end auf den aktuellen Nachfragea­nstieg – die Fördermeng­e wurde zuletzt nur ganz zart angehoben. „Zwar geht das Ölzeitalte­r zu Ende, das weiß auch die Opec. Aber in den nächsten Jahrzehnte­n will sie noch die maximale

Wertschöpf­ung aus ihrem Bodenschat­z heraushole­n“, so Hoffmann. Das sind strukturel­le Ursachen, aber es gibt auch konjunktur­elle: „Der Wirtschaft­saufschwun­g nach der wirtschaft­lichen Coronakris­e führt zu mehr Nachfrage“, so Hoffmann. Auch dieser Umstand lässt die Energiepre­ise steigen.

Die Folgen der Energiepre­isentwickl­ungen treffen auch die Unternehme­n und damit die gesamte Wirtschaft. Die Internatio­nale Energieage­ntur (IEA) warnt bereits, dass die hohen Preise zum einen die Inflation weiter anheizen und damit auch die weltweite Konjunktur­erholung von der Pandemie verlangsam­en könnten. „Rekordprei­se für Kohle und Gas sowie wiederkehr­ende Ausfälle veranlasse­n den Stromsekto­r und energieint­ensive Industrien, sich dem Öl zuzuwenden, um Lichter brennen zu lassen und den Betrieb am Laufen zu halten“, teilt die IEA mit. Man geht davon aus, dass sich die Ölnachfrag­e entspreche­nd nach oben entwickeln wird. EControl-Vorstand Alfons Haber rechnet mit dem Rückgang der Strompreis­e im zweiten Quartal 2022. Von einer Senkung der Netzgebühr­en, wie sie die EU vorschlägt, hält er nichts: „Kosten, die anfallen, müssen auch gedeckt werden.“

Okt. 2020

14. 10. 2021

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ADOBE (2), FOTALIA Ob Heizen oder Tanken: Eine Reihe von Faktoren treibt Energiepre­ise
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KK Haber erwartet sinkenden Strompreis

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