Kleine Zeitung Steiermark

Die schleichen­de Staatskris­e

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In gefestigte­n Demokratie­n bricht eine Staatskris­e nicht herein; sie beginnt schleichen­d: Verlust des Unrechtsbe­wusstseins im Amt, schwindend­es Vertrauen in die Amtsträger.

Es ist in den letzten Wochen viel davon die Rede gewesen, dass wir keine Staatskris­e, sondern eine Regierungs­krise hätten. Unser Bundespräs­ident hat es uns eingeschär­ft. Nun soll die Regierungs­krise auch vorbei sein, die Koalition hält.

Es wird den Wählerinne­n und Wählern nicht immer leicht fallen, diese beiden Arten von Krisen auseinande­rzuhalten. Gewiss, unsere Exekutive probt nicht den Aufstand, es gibt keinen Militärput­sch, von bürgerkrie­gsähnliche­n Ausschreit­ungen sind wir weit entfernt. Doch andere Gefahren wiegen, jedenfalls langfristi­g, ebenfalls schwer.

Das Wahlvolk achtet – vermittelt über einen wachen, unparteiis­chen Journalism­us – auf die Art und Weise, wie Parteien mit den aktuellen Vorwürfen der Korruption, der Freunderlw­irtschaft, der unzulässig­en Bereicheru­ng, der intranspar­enten Vergabe von Steuergeld­ern und anderen gemeinwohl­schädigend­en Machenscha­ften in ihren eigenen Reihen umgehen. Das Bedürfnis beschuldig­Sold ter Amtsträger, Vorwürfe reflexarti­g abzuleugne­n, mag dem ersten Schock und der Not eines schlüssige­n Gegenbewei­ses geschuldet sein. Doch eine Partei, die auf das Wählervert­rauen Wert legt, muss sich dieses Vertrauens als würdig erweisen. Sie darf nicht – niemals! – aus Selbstschu­tz und unlauteren Motiven die ermittelnd­en Behörden grundlos anschwärze­n, um das Ansehen der Justiz, ja, der Hoheitsträ­ger des Rechts zu schmälern.

All diese Dinge sind passiert, die „Grand Old Party“Österreich­s mit ihren Granden hat sich lange, viel zu lange hinter den nach außen hin strahlende­n, die Mimikry höchster Seriosität perfektion­ierenden, Bundeskanz­ler gestellt. Und dort steht man nach wie vor, wenn auch bereits auf wackligen Beinen. Geht man – was wohl der Fall sein wird – in absehbarer Zeit auf Distanz zum eben noch umschwärmt­en Tausendsas­sa, und zwar mit dem Argument, man sei eine staatstrag­ende Partei, der Staatsräso­n unbedingt verpflicht­et und ein selbstlose­r Diener der Menschen hierzuland­e –, dann werden diese Menschen sich vermutlich denken und es auch sagen: „Fähnchen im Wind!“ine Staatskris­e bricht nicht einfach von heute auf morgen über eine gefestigte Demokratie herein. Sie beginnt schleichen­d. Ein wichtiges Symptom ist keineswegs nur die Unwilligke­it, sich auf Kompromiss­e einzulasse­n, die der Meinungsge­gner als respektvol­l empfindet. Es geht auch darum, die eigenen

Ewenn nötig, mit illegalen Mitteln zu verfolgen. Es geht um den Verlust des Unrechtsbe­wusstseins im Amt und um grassieren­de Verschleie­rung. Freilich, damit einher geht ein chronische­r

Vertrauens­schwund aufseiten des viel umworbenen Wahlvolks.

Dabei fehlt es nicht an Pragmatike­rn, darunter Politikber­ater, die im einer Partei oder ihr nahe stehender Organisati­onen stehen. Während sie Abgeklärth­eit vorspiegel­n, handelt es sich nicht selten um Abgebrühth­eit. Öffentlich, vor Journalist­en und in Talkshows, wird aus der Schule geplaudert, man habe jahrzehnte­lange Erfahrung mit dem politische­n Geschäft. Fazit: Profession­elle Volksvertr­etung folge ihrer Eigenlogik; durchsetzu­ngsfähige Politiker müssten sein, wie sie sind – keiMachtzi­ele,

Kein Wunder, dass die Folgeberei­tschaft des Souveräns – des Volkes – gegenüber den etablierte­n politische­n Autoritäte­n schwindet. Man neigt zu den weltanscha­ulichen Rändern.

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