Temporeicher Blick auf die Wucht des Wandels
Kompakt arrangiert: Hannes Androsch will Digitalisierung verständlicher machen.
Es ist keine Übertreibung, dieses Vorhaben als ehrgeizig zu bezeichnen: „Digitalisierung verstehen“, so der Titel der neuesten vom Industriellen und früheren Finanzministers Hannes Androsch herausgegebenen Publikation. Die facettenreiche und in atemberaubender Rasanz in alle Winkel unseres Alltags und unserer Gesellschaft vordringende Digitalisierung auf rund 230 Seiten aufzubereiten, birgt das Risiko des Flüchtigen. Ein kalkuliertes Risiko, denn Androsch, der das Buch mit Marie-Theres Ehrendorff erarbeitet hat, gelingt die publizistische Tour d’Horizon. Er spricht selbst von einem „Versuch, moderne Technologien einer breiten Öffentlichkeit verständlich näherzubringen“, auch in Form einer „digitalen Alphabetisierung“. Danach richtet sich auch die Formatierung der Texte, einschlägige Fachbegriffe der Digitalisierung – die von vielen Autoren viel zu häufig als selbstverständlich vorausgesetzt werden – sind jeweils grellgelb hinterlegt und werden in einem bemerkenswerten 40-seitigen „Digital-Vokabularium“erläutert – von A wie Account bis Z wie Zoom. as Tempo, mit dem der Leser bei der Lektüre durch die einzelnen, dicht arrangierten Themenwelten geführt wird, ist bisweilen fordernd. Inhaltlich wird ein riesiger Bogen gespannt, der u. a. vom digitalen Wandel und seinen Instrumenten über die Veränderungen der Arbeitswelt bis hin zum revolutionierten Finanzsystem, zu Cybercrime, künstlicher Intelligenz, Demokratie 4.0 sowie Umbrüchen in Fertigung, Mobilität, Bildung und Gesundheitswesen reicht.
Stets kompakt portioniert, sind es oft nicht mehr als Blitzlichter, die in ihrer Ballung aber die Wucht dieses Wandels verdeutlichen. Tiefenbohrungen sieht diese Art der Textkomposition freilich nicht vor, oberflächlich präsentiert sich die Publikation dennoch nicht. Einordnungen und Abwägungen – von Chancen und Gefahren, Potenzialen und Hindernissen, Fortschritten und Unsicherheiten – finden ebenso Platz wie teils schonungslose Befunde.
So zeigt Androsch etwa Defizite in der digitalen Infrastruktur in Österreich auf und warnt eindringlich: Europa droht im digitalen Standortwettbewerb abgehängt zu werden.
Hannes Androsch: Digitalisierung verstehen. Brandstätter Verlag. 231 Seiten, 24 Euro.
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