Loblied auf das Laub
Laubbäume überraschen uns jetzt mit bunten Meisterwerken, Farbexplosionen gleich. Diese Urkraft des Lebens ist viel zu schade für wildgewordene Laubsauger.
Laub am Boden, Laub am Boden, Gelb und rot und braun, und der nächste Windstoß kehrt es lachend hinter
den Zaun
Das herbstliche Naturschauspiel, das die Laubbäume rings um uns inszenieren, hat schon immer Dichter und Denker, Musiker und Maler inspiriert. Die Ode an die Herbstzeit von John Keats zählt zu den populärsten Gedichten der englischen Romantik, wenn „schwer und feucht die Luft wird, die Blätter sich färben und die Natur sich ein letztes Mal aufbäumt, um dann gold-leuchtend in den Wintertod zu schreiten“.
Für den tschechischen Schriftsteller Karel Cˇ apek hingegen sind kahle Bäume keineswegs ein hoffnungsloser Anblick, denn: „Wenn da noch ein letztes im Wind zitterndes Blatt hängt, sieht es wie das letzte Fähnchen auf dem Schlachtfeld aus. Wir sind gefallen, doch wir haben nicht aufgegeben. Unsere Fahnen wehen noch.“Herbstblätter fallen nicht, sie fliegen, interpretieren Engländer den Baum-Striptease. Auch wenn die Blätter erst gegen Ende das Fliegen lernen, ist es choreografisch eine bestens einstudierte Darbietung. Freilich gibt es da und dort Ausnahmen, die kopflos zu Boden preschen. Aber an sich unterscheidet man drei Präsentationsformen. Da ist einmal der waagdunkelrot, rechte Fall, bei dem das Blatt flach in der Luft schwebt und nur ganz leicht schwankt. Der oszillierende Fall hat etwas Meditatives, das Blatt wiegt sich auf seinem Weg zum Boden gleichmäßig nach rechts und nach links. Den Blatt-Tanz Nummer drei bezeichnet man als rotierenden Fall, das zur Seite geneigte Blatt dreht sich um sich selbst.
Ganz anders verhält es sich bei einem Windstoß, wenn keine Zeit für das Ballett bleibt, da regnet es verfärbte Blätter, und das nicht zu schwach. Eine einzige hundert Jahre alte Buche entledigt sich im Herbst einer halben Million Blätter. Noch eine Zahl zum Staunen: Eine ausgewachsene Buche hat mehr als 1000 Quadratmeter Blattoberfläche. Da ist es klug, die Segel vor den Herbststürmen einzuholen.
Adieu Chlorophyll, erst wenn es die Blätter verlässt, wird Platz für die bunte Färbung gemacht. Das geht nicht auf Knopfdruck, darum ist manches Ahornblatt noch grün gepunktet oder gelb gestreift oder rot geädert. „Dann blühen die Blätter des Herbstes gelb und
große Fressen, für schwer Verdauliches sind Pilze und Bakterien zuständig. Ein bis drei Jahre kann es schon dauern, bis aus den zersetzten Blattrückständen dunkler Humus wird, der die von den Bäumen verbrauchten Nährstoffe wieder dem Boden zuführt. Oh, ewiger Kreislauf!
Wer wollte da noch zweifeln, dass diese Wunder der Anpassung der Schöpfung die Krone aufsetzen? Was für ein Privileg für unsere Hemisphäre! Sommergrüne Laubwälder ziehen einen eher schmalen, zwischen nördlichen Nadelwäldern und südlichen Steppen verlaufenden Gürtel um die Nordhalbkugel, von Mittel- und Westeuropa, über Russland bis zum Ural, formieren sie sich in Zentralchina und Japan neu und setzen in Nordamerika zu ihren spektakulärsten Auftritten an, gemeinhin als Indian Summer bekannt.
Übrigens, auch im