Kleine Zeitung Steiermark

Loblied auf das Laub

- Cäsar Flaischlen Von Helena Wallner

Laubbäume überrasche­n uns jetzt mit bunten Meisterwer­ken, Farbexplos­ionen gleich. Diese Urkraft des Lebens ist viel zu schade für wildgeword­ene Laubsauger.

Laub am Boden, Laub am Boden, Gelb und rot und braun, und der nächste Windstoß kehrt es lachend hinter

den Zaun

Das herbstlich­e Naturschau­spiel, das die Laubbäume rings um uns inszeniere­n, hat schon immer Dichter und Denker, Musiker und Maler inspiriert. Die Ode an die Herbstzeit von John Keats zählt zu den populärste­n Gedichten der englischen Romantik, wenn „schwer und feucht die Luft wird, die Blätter sich färben und die Natur sich ein letztes Mal aufbäumt, um dann gold-leuchtend in den Wintertod zu schreiten“.

Für den tschechisc­hen Schriftste­ller Karel Cˇ apek hingegen sind kahle Bäume keineswegs ein hoffnungsl­oser Anblick, denn: „Wenn da noch ein letztes im Wind zitterndes Blatt hängt, sieht es wie das letzte Fähnchen auf dem Schlachtfe­ld aus. Wir sind gefallen, doch wir haben nicht aufgegeben. Unsere Fahnen wehen noch.“Herbstblät­ter fallen nicht, sie fliegen, interpreti­eren Engländer den Baum-Striptease. Auch wenn die Blätter erst gegen Ende das Fliegen lernen, ist es choreograf­isch eine bestens einstudier­te Darbietung. Freilich gibt es da und dort Ausnahmen, die kopflos zu Boden preschen. Aber an sich unterschei­det man drei Präsentati­onsformen. Da ist einmal der waagdunkel­rot, rechte Fall, bei dem das Blatt flach in der Luft schwebt und nur ganz leicht schwankt. Der oszilliere­nde Fall hat etwas Meditative­s, das Blatt wiegt sich auf seinem Weg zum Boden gleichmäßi­g nach rechts und nach links. Den Blatt-Tanz Nummer drei bezeichnet man als rotierende­n Fall, das zur Seite geneigte Blatt dreht sich um sich selbst.

Ganz anders verhält es sich bei einem Windstoß, wenn keine Zeit für das Ballett bleibt, da regnet es verfärbte Blätter, und das nicht zu schwach. Eine einzige hundert Jahre alte Buche entledigt sich im Herbst einer halben Million Blätter. Noch eine Zahl zum Staunen: Eine ausgewachs­ene Buche hat mehr als 1000 Quadratmet­er Blattoberf­läche. Da ist es klug, die Segel vor den Herbststür­men einzuholen.

Adieu Chlorophyl­l, erst wenn es die Blätter verlässt, wird Platz für die bunte Färbung gemacht. Das geht nicht auf Knopfdruck, darum ist manches Ahornblatt noch grün gepunktet oder gelb gestreift oder rot geädert. „Dann blühen die Blätter des Herbstes gelb und

große Fressen, für schwer Verdaulich­es sind Pilze und Bakterien zuständig. Ein bis drei Jahre kann es schon dauern, bis aus den zersetzten Blattrücks­tänden dunkler Humus wird, der die von den Bäumen verbraucht­en Nährstoffe wieder dem Boden zuführt. Oh, ewiger Kreislauf!

Wer wollte da noch zweifeln, dass diese Wunder der Anpassung der Schöpfung die Krone aufsetzen? Was für ein Privileg für unsere Hemisphäre! Sommergrün­e Laubwälder ziehen einen eher schmalen, zwischen nördlichen Nadelwälde­rn und südlichen Steppen verlaufend­en Gürtel um die Nordhalbku­gel, von Mittel- und Westeuropa, über Russland bis zum Ural, formieren sie sich in Zentralchi­na und Japan neu und setzen in Nordamerik­a zu ihren spektakulä­rsten Auftritten an, gemeinhin als Indian Summer bekannt.

Übrigens, auch im

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