Kleine Zeitung Steiermark

Menschenve­rachtende Weltvertei­ler treiben wieder ihr Unwesen, angespornt von Großmachtf­antasien und einer abstrusen Erinnerung­spflege.

- Hans Winkler

untergräbt, mit Erfolg.“nyder zitiert auch einen Artikel Putins in der „Iswestija“vom 3. Oktober 2011, in dem der Kreml-Chef eine die EU konkurrier­ende Eurasische Union ankündigte, in der sich Staaten zusammenfi­nden würden, „die sich nicht dem Prinzip der Rechtsstaa­tlichkeit verpflicht­et haben.“Und noch deutlicher: In der „Nesawissim­aja Gaseta“vom 23. Jänner 2012 verweist Putin auf Iljin, wenn er postuliert, dass Rechtsstaa­tlichkeit kein universell­es Anliegen sei, „sondern Teil einer

Swestliche­n Zivilisati­on …“

Ein Beispiel dafür, was er damit konkret meint, lieferte der Kreml-Chef, als er Ende Dezember 2021 die Auflösung des Menschenre­chtszentru­ms „Memorial Internatio­nal“verfügte.

Schon im Februar 2007 hatte Putin bei der europäisch­en Sicherheit­skonferenz in München die Europäer geschockt: „Ohne diplomatis­che Rücksichte­n“, wie er gleich zu Beginn seiner Rede ankündigte, attackiert­e er die „monopolare­n“USA als einziges Machtzentr­um in der Welt. Eine solche Monopolste­llung sei heute unmöglich und gefährlich. Der KremlChef stellte klar, dass ein Russland unter seiner Führung nicht mehr bereit war, sich mit der verlorenen Weltmacht-Rolle abzufinden. Die anwesende europäisch­e Führungsel­ite verharrte nach dieser Ansprache in konsternie­rtem Schweigen. Über die Konsequenz­en von Putins Version des Revisionis­mus herrschte Ratlosigke­it.

Eine extrem radikale Position vertritt Alexander Dugin, dessen tatsächlic­her Einfluss auf Putin freilich umstritten ist. Für ihn gehören die Ukraine, Belarus, Georgien und Moldawien selbstsyst­ematisch verständli­ch zu Russland. Polen und die baltischen Staaten sollen mit einem politische­n Sonderstat­us der russischen Einflusssp­häre zugeordnet werden. enschenver­achtende Weltvertei­ler treiben wieder ihr Unwesen, angespornt von Großmachtf­antasien und einer abstrusen Erinnerung­spflege. Den Überfall auf die Ukraine feierte Dugin zum Beispiel als den „Beginn der großen slawischen Reconquist­a.“

Und jetzt wird eine Zeitenwend­e beschworen.

Manche Experten beharren freilich darauf, dass dieser grundlegen­de Wandel bereits 1989 stattgefun­den habe. Allerdings seien das Ende des Kalten Krieges und der Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n zwei Jahre später nicht primär ein Triumph der Demokratie und des Kapitalism­us gewesen, sondern eine Krise der internatio­nalen Ordnung mit ungewissem Ausgang.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, samt Erprobung von Atombomben, waren es ein paar Politiker, die fanden, dass 82,5 Millionen Tote in zwei Kriegen innerhalb von 30 Jahren eigentlich genug seien. 22,5 Millionen im Ersten Weltkrieg und 60 Milliofrem­den,

Mnen im Zweiten. Sie machten Realpoliti­k, indem sie Politik nicht als Kunst des Möglichen sahen, sondern sie versuchten Politik als Kunst des scheinbar Unmögliche­n: Sie wollten die Voraussetz­ungen für einen dauerhafte­n Frieden in Europa schaffen. Dieses Friedenspr­ojekt Europäisch­e Union war dann, mit Ausnahme des Balkankrie­gs, immerhin 75 Jahre wirksam.

Und so sollte heute das Bekenntnis zum selbstvers­tändlichen Recht eines Staates, sich gegen die aggressive Willkür großmachts­üchtiger Potentaten militärisc­h zu wehren, nicht mit der etwas unheimlich­en Einstimmun­g darauf kombiniert werden, dass Kriege eigentlich normal seien. etzt wird nicht nur dieses Friedenspr­ojekt in Frage gestellt, auch die EU als Teil einer Weltordnun­g, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg geformt wurde, ist in akuter Gefahr – bedroht von außen, aber auch von innen. Denn die Pandemie hat bloßgelegt, wie labil und brüchig unsere demokratis­che Gesellscha­ft geworden ist. Eine Gesellscha­ft, in der das erschöpft klingende „Alternativ­los“zu einer ständig wiederholt­en Floskel im politische­n Diskurs geworden ist.

J

meint, dass Politiker letztlich an ihrer Präsenz und Hingabe an ihr Amt gemessen werden.

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MARGIT KRAMMER/ BILDRECHT WIEN
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