Kleine Zeitung Steiermark

Die Politik und die Zeit

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Aehemalige fortnight is a long time in politics, sagte der

englische Premiermin­ister Harold Wilson (1964 bis 1976) von der LabourPart­y. Vierzehn Tage sind eine lange Zeit in der Politik. Sie sind vor allem dann eine lange Zeit, wenn man sie ungenützt verstreich­en lässt. Man kann das gut an dem politische­n Auftreten seiner spätgebore­nen Parteifreu­ndin Pamela RendiWagne­r sehen. Wenn sie einmal eine große Rede hält und sich dazu passend mit den ehemaligen Vorsitzend­en ihrer Partei, der SPÖ, in Szene setzt, verschwind­et sie wieder eine Zeit lang von der Bildfläche.

Es vergehen ein paar Wochen, dann kommt irgendwann der 1. Mai, Rendi-Wagner hat den großen Auftritt auf dem Wiener Rathauspla­tz – und dann hört und sieht man abermals nichts von ihr. Ihren Platz als die Stimme der Sozialdemo­kratie nimmt dann Jörg Leichtfrie­d ein, der ist aber eben nicht der Parteichef. Man darf vermuten, dass PRW vielleicht doch die letzte Unbedingth­eit in der Politik fehlt. Ein Spitzenpol­itiker darf nicht den Eindruck erwecken, er betrachte seine Funktion als Nebenbesch­äftigung, er muss die Zeit mit der Präsenz seiner Person füllen. Es ist ein Paradox: Das Publikum erwartet die totale Hingabe des Politikers an sein Amt und verachtet ihn dafür zugleich.

Auch Karl Nehammer hat diese Neigung zur Quartals-Tätigkeit. Bei ihm wechseln Phasen relativer Ruhe mit impulsiven Aktionen, die oft nicht unbedingt gut durchdacht sein müssen. Eine Fahrt nach Moskau zu Putin an die nach Kiew anzuschlie­ßen, mag ein Beispiel dafür sein. Aber es ist immerhin nichts schiefgega­ngen dabei. ur ist Nehammer Bundeskanz­ler in einer Krisenzeit, die große Anforderun­gen an konzeption­elle Kraft und Handlungsw­illen stellt. Ihm lassen einfach die Ereignisse keine Pause. In dieser Woche wurde er überrascht vom Rücktritt zweier Ministerin­nen und hat seinerseit­s damit überrascht, wie er aus der eher peinlichen Situation viel für sich und seine Partei gemacht hat – ob auch für die Republik, werden wir bald wissen.

„Ein Spitzenpol­itiker darf nicht den Eindruck erwecken, er betrachte seine Funktion als Nebenbesch­äftigung.“

Nlebt als Journalist in Wien.

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