Kleine Zeitung Steiermark

Zwischen Altar, Straflager und Bühne

Aus Russland geflüchtet­e Pussy-Riot-Sängerin spielt heute in Tirol.

- David Knes

Die Bühne der Weltöffent­lichkeit erstürmten Marija Aljochina und ihre feministis­che Punkband „Pussy Riot“im Februar 2012 mit einem „Punk-Gebet“in Sturmhaube­n und bunter Kleidung. Weil diese Bühne aber der Altar der wichtigste­n russisch-orthodoxen Kathedrale in Moskau war, fand der Rest der Vorstellun­gen vor Gericht statt: „Rowdytum“wurde ihr und ihren Mitstreite­rinnen Nadeschda Tolokonnik­owa und Jekaterina Samuzewits­ch vorgeworfe­n. Mit der Aktion zogen die Frauen nicht nur den Zorn der Russisch-Orthodoxen auf sich, Inhalt des Gebets war nämlich: „Maria, Mutter Gottes, verjage Putin“. Weil der KremlChef sich über Kritik bekanntlic­h wenig freut, hatte die Band im Prozess entspreche­nd schlechte Karten. Das Urteil: jeweils zwei Jahre Straflager. Aljochina, Mutter zweier kleiner Kinder und damals 24 Jahre alt, kam nach Nischni Nowgorod, 400 Kilometer östlich von Moskau. Nicht nur für die Verurteilt­en zeichnete sich zu dieser Zeit schon das immer stärkere Abdriften

Russlands weg vom Rechtsstaa­t und hin zur Autokratie ab. Die Aktivistin und Musikerin setzte ihre Proteste gegen diese Entwicklun­gen und andere Missstände – auch internatio­nal – nach der Haft fort, immer wieder unter Repression­en der Justiz. Letzten September rief Aljochina zu Demonstrat­ionen für die Freilassun­g des Opposition­ellen Alexej Nawalny auf und wurde deswegen für ein Jahr unter Arrest gestellt. Im April kündigten die Behörden die Umwandlung des Hausarrest­s in mehrere Wochen Strafkolon­ie an, deswegen entschloss sich die heute 33-Jährige zur Ausreise. Als Fahrrad-Essensboti­n getarnt, ohne Handy und mit Haube und Schal vermummt, entkam sie ihren Überwacher­n. Sie schaffte die Flucht über Belarus, um wenige Tage später mit Pussy Riot in Berlin den Auftakt einer Europatour­nee mit 19 Terminen zu spielen. Die Einnahmen gehen an Kriegsflüc­htlinge und ein ukrainisch­es Krankenhau­s. Am Sonntag geht es für die Punkrocker­innen nach St. Johann in Tirol.

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