Zwischen Altar, Straflager und Bühne
Aus Russland geflüchtete Pussy-Riot-Sängerin spielt heute in Tirol.
Die Bühne der Weltöffentlichkeit erstürmten Marija Aljochina und ihre feministische Punkband „Pussy Riot“im Februar 2012 mit einem „Punk-Gebet“in Sturmhauben und bunter Kleidung. Weil diese Bühne aber der Altar der wichtigsten russisch-orthodoxen Kathedrale in Moskau war, fand der Rest der Vorstellungen vor Gericht statt: „Rowdytum“wurde ihr und ihren Mitstreiterinnen Nadeschda Tolokonnikowa und Jekaterina Samuzewitsch vorgeworfen. Mit der Aktion zogen die Frauen nicht nur den Zorn der Russisch-Orthodoxen auf sich, Inhalt des Gebets war nämlich: „Maria, Mutter Gottes, verjage Putin“. Weil der KremlChef sich über Kritik bekanntlich wenig freut, hatte die Band im Prozess entsprechend schlechte Karten. Das Urteil: jeweils zwei Jahre Straflager. Aljochina, Mutter zweier kleiner Kinder und damals 24 Jahre alt, kam nach Nischni Nowgorod, 400 Kilometer östlich von Moskau. Nicht nur für die Verurteilten zeichnete sich zu dieser Zeit schon das immer stärkere Abdriften
Russlands weg vom Rechtsstaat und hin zur Autokratie ab. Die Aktivistin und Musikerin setzte ihre Proteste gegen diese Entwicklungen und andere Missstände – auch international – nach der Haft fort, immer wieder unter Repressionen der Justiz. Letzten September rief Aljochina zu Demonstrationen für die Freilassung des Oppositionellen Alexej Nawalny auf und wurde deswegen für ein Jahr unter Arrest gestellt. Im April kündigten die Behörden die Umwandlung des Hausarrests in mehrere Wochen Strafkolonie an, deswegen entschloss sich die heute 33-Jährige zur Ausreise. Als Fahrrad-Essensbotin getarnt, ohne Handy und mit Haube und Schal vermummt, entkam sie ihren Überwachern. Sie schaffte die Flucht über Belarus, um wenige Tage später mit Pussy Riot in Berlin den Auftakt einer Europatournee mit 19 Terminen zu spielen. Die Einnahmen gehen an Kriegsflüchtlinge und ein ukrainisches Krankenhaus. Am Sonntag geht es für die Punkrockerinnen nach St. Johann in Tirol.