Schwarze Löcher
Von Franzobel
In diesen fordernden Zeiten ist es erstmals geglückt, das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße abzubilden. Es sieht wie ein Produkt von Dunkin‘ Donuts aus. Angesichts der galoppierenden Inflation muss man sich fragen, ob es nicht nur Materie verschlingt, sondern auch Geld?
Alles wird teurer: drei Euro für die Butter, für den Fenchel vier, jedes Tanken führt zu einem Herzrasen, und mit den Energierechnungen werden Sparstrümpfe kollabieren. Dabei ist der Wert der Dinge nicht gestiegen, nur ihr Preis. Das Geld ist auch nicht weg, es hat nur jemand anderes – zum Beispiel ein paar Spitzensportler. Hundertdreißig Millionen Dollar hat Lionel Messi im vergangenen Jahr verdient, täglich so viel wie eine ungelernte Hilfskraft in zwanzig Jahren.
Geld macht nicht glücklich. Selbst ein Boris-BeckerSchicksal ist möglich. Der soll im Gefängnis so oft den Notfallschalter gedrückt haben, bis man ihm returniert hat, dass dies nicht der Zimmerserviceknopf eines Hotels ist. Man kann sich Anwesen von der Größe Lichtensteins kaufen oder Yachten vom Ausmaß des Karl-Marx-Hofes. Aber kommt man sich dann nicht vor wie eine Salami im Turnsaal? Wir können dafür zum Heurigen. Messi muss sich den Heurigen kaufen und das umliegende Bundesland gleich dazu. Twitter geht sich nicht aus, dafür der FC Barcelona samt dem wechselwilligen Robert Lewandowski.
Natürlich verdient niemand solch unverschämte Entlohnung. Die Gehälter machen auch nur einen Bruchteil aus, das meiste kommt von Werbung. Und Messi wirbt nicht in der obersteirischen Fleischerzeitung, sondern für das saudische Tourismusboard, für Chips, Cola, Smartphones. Wir alle, die Konsumenten, zahlen seine Einkünfte mit unserem hart ererbten Wohlstand. as Geld, das den einen am Ende des Monats fehlt, ist also nicht im Schwarzen Loch gelandet, sondern auf den Konten der anderen. Natürlich ist da etwas faul und stinkt zum Himmel. Im Wirtschaftsuniversum gleicht das Schwarze Loch weniger einem Donut, mehr einem Darmausgang, nur haben wir uns an die dort fabrizierten Winde längst gewöhnt. Regulative müssten her, Reichensteuern weltweit. Doch wer soll das entscheiden? Man frägt ja auch nicht die Frösche, ob man eine saure Wiese trockenlegen soll.
Messi und Konsorten sei aller Luxus vergönnt, aber an ihnen zeigt sich, wohin das führt – zu einer Oligarchisierung, und was das bedeutet, können wir an Russland sehen. Dabei gibt es den Sport, um solche Dinge zu vergessen. Irgendwann wird aber auch das nicht mehr funktionieren. Spätestens wenn die Musks dieser Welt die Schwarzen Löcher kaufen, wird man sehen, dass diese Welt ein Ende hat, zu dem sie geht, wenn es so zugeht.
Franzobel, 1967 in Vöcklabruck geboren, ist Schriftsteller und Sportfan.
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