Kleine Zeitung Steiermark

Schwarz, elitär und konservati­v

- Hans Winkler

Eure Majestät, ich bin die leere Seite zwischen dem Alten und dem Neuen Testament“, soll Benjamin Disraeli zu Königin Victoria gesagt haben, als sie ihn 1868 zum Premiermin­ister ernannte. Warum wird hier an Disraeli erinnert? Er war der erste und blieb der bisher einzige Ministerpr­äsident Großbritan­niens jüdischer Abstammung. Schon in Jugendjahr­en wurde er Anglikaner, aber er blieb irgendwie „dazwischen“.

Disraeli gilt als Begründer der modernen Konservati­ven Partei, er suchte ein Bündnis der Tories mit der aufstreben­den Arbeitersc­haft. Auch sein später Nachfolger Boris Johnson erkannte, dass die Konservati­ven über ihr Stammpubli­kum aus der aristokrat­ischen Oberschich­t und dem gehobenen Bürgertum hinauskomm­en müssen.

Es irritiert heute viele, dass die vermeintli­ch auf Vorrechte von Klasse, Stand und (weißer) Rasse fixierten Konservati­ven die Partei mit der denkbar größten Diversität in ihren Führungska­dern ist. Bei der Ausscheidu­ng um den Parteivors­itz waren unter den letzten acht Bewerbern vier „People of Color“. Zwei davon sind Frauen, zwei ehemalige Finanzmini­ster. Zuletzt wurde die Nachfolge von Johnson zwischen der weißen Liz Truss und dem Inder Rishi Sunak entschiede­n. Alle drei bisherigen weiblichen Ministerpr­äsidenten, Truss, Theresa May und Margaret Thatcher, sind bzw. waren Konservati­ve.

Im jetzigen innersten Kreis der Macht um die Ministerpr­äsidentin ist überhaupt kein weißer Mann. Die Eltern der Innenminis­terin Sue Braverman kamen aus Kenia und Mauritius; die Mutter von Außenminis­ter James Cleverly stammt aus Sierra Leone, Finanzmini­ster Kwasi Kwarteng ist ghanaische­r Herkunft. ie alle haben bessere (und teurere) Schulen und Universitä­ten besucht als die Ministerpr­äsidentin selbst. Karriere haben sie nicht wegen ihrer reichen oder einflussre­ichen Eltern gemacht, sondern durch ihren Ehrgeiz und ihre Leistung. Man kann sie durchaus als elitär bezeichnen und noch dazu sind sie konservati­v. Das passt den Ideologen des Antirassis­mus und der Diversität so gar nicht ins Konzept.

lebt als Journalist in Wien.

Im jetzigen innersten Kreis der Macht um die britische Premiermin­isterin Liz Truss ist überhaupt kein weißer Mann.

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