Zur Person
wird, ohne dass der Beschuldigte überhaupt einvernommen worden ist.
Wären die Anwälte damit einverstanden, dass man Akteneinsicht nur in kontrollierten Datenräumen gewährt?
Wenn die Beschuldigtenrechte eingehalten werden, kann man einem solchen Vorschlag zustimmen. Wir sind generell dafür, den Strafakt elektronisch zu führen. Damit kann man vielleicht Missbrauch besser verhindern.
Immer öfter werden Chatverläufe aus Handys öffentlich, die Privatsphäre wird verletzt. Was kann man tun?
Es wäre notwendig, dass die Anordnung eines Staatsanwalts nicht ausreicht, um ein Handy oder einen sonstigen elektronischen Datenträger sicherstellen zu lassen. Das ist heutzutage ein viel massiverer Eingriff als eine Hausdurchsuchung. Als die Gesetze geschrieben wurden, hat es diese exzessive Nutzung von Datenträgern noch nicht gegeben. Daher fordern wir als Voraussetzung einen richterlichen Beschluss, der keinesfalls eine bloße Stempelerledigung sein darf wie bei sonstigen richterlichen Beschlüssen. Wir fordern eine echte richterliche Begründung, warum das – bei einem hinreichenden Tatverdacht – notwendig ist.
Schon heute kann der Beschuldigte Beschwerde einlegen, dann entscheidet ein Richter über die Zulässigkeit der Maßnahme.
Das ist richtig, ändert aber nichts daran, dass dann diese Datenträger schon im Gewahrsam der Staatsanwaltschaft sind.
Man könnte Ihnen vorhalten, dass Sie potenziell schuldige Täter über Gebühr vor Verfolgung schützen wollen.
Das weise ich zurück. Es geht darum, dass man nicht von vornherein davon ausgeht, dass jemand schuldig ist. So lange jemand nicht rechtsben
Jahrgang 1964, studierte Rechtswissenschaften in Wien und St. Gallen. Seit 1993 ist er Rechtsanwalt in Wien mit den Schwerpunkten Privatstiftungsrecht sowie Immobilien- und Bauvertragsrecht.
Ab 2011 Vizepräsident und seit 22. 9. 2022 nun Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages. Er vertritt damit 6900 Rechtsanwälte und 2300 Berufsanwärter. kräftig verurteilt ist, muss man davon ausgehen, dass er unschuldig ist.
Es entsteht manchmal der Eindruck, dass sofort, wenn Ermittlungen beginnen, kriminalisiert wird. Diesen Eindruck kann man von außen haben. Ich hoffe, dass es nicht so ist.
Was muss sich ändern an der Arbeit der WKStA? Glauben Sie, dass dort voreingenommene Personen sitzen?
Das kann ich nicht beurteilen. Die WKStA steht im besonderen Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, weshalb die Probleme dort am deutlichsten sichtbar werden. Ihre Ressourcen sollten effizienter eingesetzt und Ermittlungsverfahren gestrafft werden. Der Reformbedarf beschränkt sich aber nicht auf die WKStA. Es braucht grundsätzlich eine Stärkung der Beschuldigtenrechte.
Die WKStA führt viele Ermittlungen gegen ÖVP-Politiker, musste aber bisher die Mehrzahl ohne Anklage einstellen. Ist das normale Rechtspflege? Oder spielt Parteipolitik in der Justiz eine Rolle?
Richtig ist, dass der Eindruck entsteht, dass dort relativ viele Verfahren wieder eingestellt werden. Aber ich gehe nicht davon aus, dass das politisch motiviert ist.
Auch Zivilprozesse dauern oft ungebührlich lange, die Prozesse werden über Monate und Jahre anberaumt. Könnte das schneller gehen?
In manchen Verfahren haben wir den Eindruck, dass es schneller gehen könnte. Wir wollen schnelle Zivilverfahren und einen angemessenen Kostenersatz.
Die Anwälte fordern eine Anpassung der Tarifsätze.
Das Justizministerium ist hier seit eineinhalb Jahren säumig. Außerdem ist nicht einzusehen, dass Freiberufler im Gegensatz zu gewerblich Tätigen keinen Energiekostenersatz erhalten.
Ist das Zufall oder Absicht? Ich befürchte, dass es System hat. Man hat die Freiberufler vergessen, weil man sie nicht als gleichberechtigten Teil der Wirtschaft sieht.