Mörderische Macht der Kränkung
Vor 25 Jahren wurde Briefbomber Franz Fuchs in seinem Heimatort Gralla verhaftet. Persönliche Erinnerungen an einen Fall, der alle Dimensionen sprengte.
für sein Versagen ließ er stattdessen aufmarschieren. Was für ein zynisches Paradoxon: Ein Schwächling und Außenseiter, der die Geschwächten und Ausgeschlossenen und jene, die sich für sie einsetzten, zum Opfer erkor. Bis zum Prozessende hat Franz Fuchs nichts gesagt, nur immer wieder gebrüllt. Was hätte er auch sagen sollen? Vielleicht das: „Es gab nie eine BBA, nie eine Gefahr von außen, immer nur eine von innen. Und diese Gefahr, dieser Sprengstoff, hat nur einen Namen, meinen: Franz Fuchs.“
Wer war er, dieser Franz Fuchs? Ein zu kurz Gekommener und unter seinem Wert Geschlagener. Zumindest hat er das zeitlebens so empfunden. Theoretisch hochbegabt, praktisch lebensunfähig. Einer, der als Vermessungstechniker Maß angelegt hat an der Welt und schlussendlich maßlos enttäuscht und angewidert war von ebendieser Welt, die nicht so funktionierte, wie er sich das vorstellte. Heute würde man diesen Franz Fuchs vermutlich einen schleichend kriminalisierten und letztlich detonierten „Wutbürger“/„Querdenker“nennen. Er war ein Mensch, der inwendig wütend war und die Ursachen immer nur auswärtig gesucht hat. Die Gunst des Lebens erhielt er nicht. Und Aufmerksamkeit erst dann, als er Angst, Leid und Tod verbreitete. Diese Ursachen für das Ungemach und das Unrecht, das ihm vermeintlich widerfuhr, hatte viele Namen: August Janisch, Helmut Zilk, Silvana Meixner, Roma im Burgenland.
läuft jetzt der Erinnerungshund. Hinein in einen nasskalten Februartag im Jahr 1995. Wiecke der ein Acker, wieder keine Raben. Stattdessen liegen weiße Tücher auf den Erdbrocken, mit denen notdürftig Leichenteile zugedeckt sind. Die zerfetzten Körper von vier Männern aus der nahen Roma-Siedlung am Rand von Oberwart. „Roma zurück nach Indien“stand auf einer Tafel, die diese Männer in der Nacht zuvor berührt hatten. Das perfideste Werk von Franz Fuchs: eine Sprengfalle. Eine Frau wirft sich wild gestikulierend auf die Überreste ihres Mannes. Solche Bilder vergisst man nicht. Nie wieder. Das offizielle Österreich hat damals wortreich getrauert. Wie wichtig den Menschen in Oberwart selbst ihre Roma-Mitbürger waren, zeigte ein Benefizkonzert, das der inzwischen verstorbene Geiger Toni Stricker wenige Tage nach dem Anschlag in Oberwart gab. Die Besucher konnte man leicht an zwei Händen abzählen.
Auch dieser bitterkalte Tag im Dezember. Wieder in Gralla, wieder die Straße, wo alles begann – und wo alles endete. Das Elternhaus von Franz Fuchs ist umschlungen von Nebelbändern, der Zaun frisch gestrichen. Rot. Die Kittelschürze, die Anna Fuchs trägt, ist blau. Eigenartig, wie farbengenau Erinnerungen sind. „Lassen Sie meinen Buben bitte ruhen“, sagt die Mutter. Nicht „den Buben“sagt sie, sondern „meinen Buben“. Auch so einen Satz vergisst man nicht.