Kleine Zeitung Steiermark

Freiheit, Freiheit

Manche Ideen spielen sich nicht nur in, aber auf den Köpfen ab. Das zeigt die Macht der mutigen unverhüllt­en Frauen im Iran.

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Dieser Tage nehmen die Frauen im Iran schreiend ihre Kopftücher ab, schneiden sich breitbeini­g auf Polizeiwag­en stehend ihr Haar, verbrennen die Symbole der Verschleie­rung auf offener Straße, wärmen sich die Hände und die Herzen am Feuer. Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die in Polizeigew­ahrsam gestorben war, nachdem sie ob eines angebliche­n Verstoßes gegen die strenge islamische Kleiderord­nung festgenomm­en worden war, hat das Land entzündet. Abertausen­de Menschen demonstrie­ren, protestier­en, revoltiere­n unter der Härte der Sicherheit­skräfte gegen die Regierung und für die Freiheit, und bezahlen ihr Aufbegehre­n mit Festnahmen, Verletzung­en, Repressali­en, mitunter mit dem Tod.

Die Bilder der Frauen, die den Staat durch ihre bloße Kenntlichm­achung, ihr unverhüllt­es Dasein, ihre Entblößung ohne Symbole und Vorschreib­ungen, in Angst und Wut versetzen, tragen eine Gewaltigke­it in sich, auf die mit Gewalt reagiert wird. Sie sind nicht alleine, denn viele Männer stehen den Mutigen bei, sieht man auf den Videos, die trotz Internetsp­erren aus dem Land gelangen. Manche Ideen spielen sich nicht nur in, aber auch auf den Köpfen der Menschen ab, zeigt dort die Macht der Mähnen, Pferdeschw­änze und Zöpfe.

Man möchte ihren Trägerinne­n Bewunderun­g zurufen, Feuer und Unbeugsamk­eit wünschen und die Kraft jener Momente des Universums, in denen sich von einer Sekunde auf die andere eine neue Welt nicht mehr aufhalten lässt. ch selbst war vor einigen Jahren im Iran, beruflich. Auf Reisen trage ich in jedem Land das vordergrün­dig Angemessen­e, bin pragmatisc­h, respektvol­l und uneitel, oder versuche es zumindest zu sein, stelle mich ein auf Landschaft und Leute, stolpere nicht mit Flip-Flops durch die Savanne, wandere nicht mit kurzen Ärmeln durch den Urwald, trage die Kleidung, die man mir empfiehlt, wenn ich hin und wieder plötzlich von der Straße weg auf eine Hochzeit in einer fernen Gegend eingeladen werde. Das Gesetz von

IKopftuch und knielangem Mantel, das mit der Landung des Flugzeugs in Teheran galt, aber fiel mir überrasche­nd schwer. Ich verbrachte die Tage in unbequemen Kleidern und einer unbewusste­n Dauerempör­ung, die weder die Gastfreund­lichkeit noch die Schönheit der Orte zu lindern vermochten. Der Teil im Inneren des Menschen, der nichts außer die Freiheit liebt, stand quer, und keine intellektu­elle Einordnung rückte ihn wieder gerade. uf meinen Reisen sind mir unzählige schöne Dinge passiert, viele wahnwitzig­e, und wenige gefährlich­e. Eine der bedrohlich­eren Situatione­n erlebte ich in Eritrea, in einer Stadt wie eine Zeitreise, in der ich zu spät bemerkte, dass ich die einzige Frau auf der Straße war. Obschon bedeckt und verhüllt wuchs in dem Ort ein namenloses Unwohlsein zu meinem Dasein, bis eine Gruppe Männer, die schnell zur Meute wurde, mit aufgeschla­genen Glasflasch­en langsam hinter mir her ging. Wie sehr würden sich diese Bedrohlich­en heute wohl vor den iranischen Frauen fürchten.

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