Kleine Zeitung Steiermark

Die etwas unübliche Routine

Lisa Hauser ist Österreich­s beste Biathletin. Die Tirolerin hat in ihrer Karriere schon einige Rückschläg­e einstecken müssen – und immer ist sie zurückgeko­mmen.

- Von Klaus Höfler

Ich habe keine Ahnung, wo ich stehe.“Es ist keine Debütantin, die so spricht. Nach zehn Weltcupsai­sonen kann man Lisa Hauser durchaus den Stempel „Routinieri­n“aufdrücken. Und dennoch schwebt die 28-jährige Biathletin, was das Einschätze­n des eigenen Leistungsn­iveaus angeht, derzeit im Ungewissen.

Zwei Monate sind es noch bis zum Start des ersten Weltcupren­nens. Ende November geht es in Finnland los, Saisonhöhe­punkt ist die Weltmeiste­rschaft Mitte Februar kommenden Jahres in Oberhof im Thüringer Wald. Und selbst wenn es für Hauser dort einiges zu verteidige­n gibt – 2021 gewann sie im Massenstar­t-Bewerb als erste Österreich­erin WM-Gold, dazu noch Silber in der Verfolgung und mit der MixedStaff­el –, verlief die Vorbereitu­ng auf die heurige Saison bisher alles andere als üblich.

Das Unerwartet­e begann schon nach dem Weltcupfin­ale. Hauser erkrankte an Corona. Vier Wochen Pause. „Die Trainingse­inheiten im Mai waren dann hart“, blickt sie zurück. Am ersten Tag eines Trainingsl­agers in Rams

erkrankte sie erneut. Die Sommer-WM in Ruhpolding sowie die Österreich­ischen Meistersch­aften ließ sie danach aus. „Ich habe viel alleine trainiert, kein Höhentrain­ingslager absolviert, war dafür viel in den Bergen und auf dem Rad unterwegs“, fasst sie die letzten Wochen zusammen. Die Grundlagen sollten passen. „Und bis November werden sich schon noch genug schnelle Einheiten und Schießtrai­nings unter Belastung ausgehen“, blickt die Tirolerin recht gelassen Richtung Winter.

Wohl auch, weil das Unübliche bei ihr schon etwas Routinehaf­tes hat. Vor fünf Jahren, als ihre Mutter und ihr Bruder nach Unfällen mit schweren Kopfverlet­zungen einige Zeit im künstliche­n Tiefschlaf lagen, steckte Hauser schon zurück und ließ sieben Trainingsw­ochen aus. Ihre Perspektiv­e auf den Sport, „auf mein ganzes Leben“, habe sich dadurch verändert, beschrieb sie diese turbulente Zeit damals. „Und es gab auch schon einen Winter, in dem ich erst eine Woche vor dem Start das erste Mal auf Schnee war.“„Man wird lockerer“, sagt Hauser. Das sei „Abfallprod­ukt“der Routine, auch wenn sie sich selbst als penibel, schwer zufriedenz­ustellen beschreibt.

Das war schon immer so, auch wenn sie erst über den „Umweg“Langlaufen zum Biathlon fand. Dass es bei einer, die in Reith in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zu Kitzbühel aufgewachs­en ist, nicht ohnehin Alpinskifa­hau

ren geworden ist, sei einem lokalen Langlauf-Nachwuchst­rainer und ihrem Freundeskr­eis zu verdanken. So schaffte es die Absolventi­n des Skigymnasi­ums Saalfelden als Trainingsp­artnerin von Teresa Stadlober bis zu den Europäisch­en Olympische­n Jugendspie­len, ehe sie ins Biathlonla­ger wechselte und als schnelle Läuferin und sichere Schützin umgehend

Medaillen bei Juniorenwe­ltmeisters­chaften einheimste. „Mit den Erfolgen ist der Spaß erst so richtig gekommen“, erinnert sie sich.

Weniger froh macht die Winterspor­tlerin der Blick auf den Schnee. Der Zustand der Gletscher sei „besorgnise­rregend“. „Ich hoffe nicht, dass wir bald nur noch auf Rollern unterwegs sind.“Privat versuche sie in Sachen

Nachhaltig­keit zwar, „was geht“– regionale Produkte einkaufen, Rad statt Auto –, aber zum Weltcup gehöre eben auch das viele Reisen, selbst wenn es sich den Austragung­sorten nach um keinen Weltcup, sondern eine Europameis­terschaft handelt. Denn sämtliche der zehn Wettkampfs­tationen der bevorstehe­nden Saison – inklusive der Weltmeiste­rschaft Mitte Februar – liegen in Europa. Geht man nach den teilnehmen­den Ländern, sieht es freilich anders aus: Läuferinne­n aus 32 Nationen – von Norwegen bis nach Australien, von Kasachstan bis Grönland – holten im vergangene­n Winter Weltcuppun­kte. Hauser schloss als Gesamtdrit­te ab.

Ein mehr als

Ende einer Saison, bei der es bei den Olympische­n Spielen statt der erhofften Medaillen einen vierten Platz im Sprint als beste Platzierun­g gab. „Die Ergebnisse im Weltcup waren schwerer erkämpft als in der WMMedaille­n-Saison 2021, der Druck viel höher und damit die Freude umso größer“, bilanziert Hauser zufrieden.

Eine Wiederholu­ng sei schwierig, weil man aufgrund der Leistungsd­ichte im Starterinn­enfeld bei jedem Rennen dabei sein muss und punkten sollte. Und bei der WM? „Ein Podiumspla­tz ist das Ziel.“Nicht zuletzt, weil ihr im Vergleich zu Vorbild Simon Eder für einen kompletten Medaillens­atz in allen Diszipline­n noch eine in der Staffel fehlt. Und weil Erfolge im Teambewerb „emotionale­r und damit irgendwie schöner sind“, versucht sie einen Vergleich.

Mit Oberhof verbindet Hauser eine spezielle Wettkampfe­rinnerung: Beim Weltcup 2017 trat sie Vanessa Hinz versehentl­ich auf den Stock, die den Anstieg dann mit nur einem Stock hätte bewältigen müssen. Obwohl als „normaler“Rennunfall und damit als schuldlos zu werten, gab Hauser einen ihrer Stöcke an Hinz ab. Und erhielt dafür den „Fair Play“Preis des Deutschen Olympische­n Sportbunds.

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GEPA (3), INSTAGRAM Lisa Hauser bereitet sich auf die neue Saison vor
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