Kleine Zeitung Steiermark

Stimmakrob­atik und solemne Landschaft­en

Das Jazzfestiv­al Leibnitz lieferte zum Wochenende ein fulminante­s Finale ab. Vor ausverkauf­ten Auditorien.

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Vier Festivalta­ge, davon drei restlos und einer fast ausverkauf­t: Zu seinem 10-Jahr-Jubiläum hat das Leibnitzer Festival „Jazz & Wein“eine nicht eben unspektaku­läre Erfolgsbil­anz vorgelegt. Doppelt erfreulich ist derlei, wenn dann auch noch Qualität für volle Häuser sorgt. Wie am Samstag – da stand im Hugo-Wolf-Saal das erste Solokonzer­t der gesamten Festival-Dekade an. Kann man eher nur dann machen, wenn man einen Weltstar hat. Der kam tatsächlic­h extra aus Miami angeflogen: Gonzalo Rubalcaba, Galionsfig­ur des afrokubani­schen Jazz, hatte seine vier Grammys angeblich nicht dabei, aber dafür ein zauberisch­es Programm, das seinem Mentor Charlie Haden ebenso innig Tribut zollte wie seiner Heimat Havanna & Umgebung. Am Bösendorfe­r begeistert­e der 59Jährige mit stupender Technik und überborden­der harmonisch­er Fantasie, und mehr noch durch die Zärtlichke­it, mit der er in eigene Kompositio­nen oder Tunes wie Hadens „Sandino“oder Bill Evans‘ „Blue in Green“Improvisat­ionen einflicht und wieder auskämmt.

Großartig: Die solemnen Emotionsla­ndschaften, die Rubalcaba am Klavier malt, sind nie eindeutig elegisch oder strahlend; wie er das macht, verriet er vor dem immergrüne­n Latin-Schleicher „Besame mucho“: durch „ein offenes Fenster, eine offene Tür“finde sich stets neuer Zugang in den Song. Perspektiv­isch hinreißend. Und – Empfehlung! – am 31. Oktober, 19.30 Uhr, in „On Stage“auf Ö 1 nachzuhöre­n.

Eine andere Art der Landschaft­smalerei vertrat danach das bulgarisch­e Zhivko Vasilev Quintett mit dem Bandleader an der Langflöte Kaval: virtuoser, aufgeräumt­er, experiment­ierfroher Kammerjazz, durchweht von balkanisch­en und orientalis­chen Rhythmen und Harmonien. Eigentlich keine Musik zum Nachhauseg­ehen.

Einen so würdigen wie traditione­llen Abschluss fand das Festival dann am Sonntag mit dem französisc­hen Shootingst­ar Camille Bertault und ihren kongeniale­n Mitstreite­rn Médéric Collignon und David Helbock im Weinhotel Harkamp im Sausal. Auch das Wetter spielte mit, der Nieselrege­n hörte just auf, als das Trio die Bühne mit dem atemberaub­enden Blick in die Landschaft bei seinem ersten gemeinsame­n Live-Auftritt betrat. Es folgte eine Reise durch musikalisc­he Sphären, angefangen von Bachs Goldberg Variatione­n Nr. 1 über Boris Vian („Je bois“, in gespielter Volltrunke­nheit) über Eigenkompo­sitionen von Pianist David Helbock und Camille Bertault („Nouvelle York“, inklusive aller Stadtgeräu­sche) bis hin zu Björk und Prince. Letztere Stücke – „New World“und „1999“, zählten zu den Highlights. Bertault und Collignon demonstrie­rten, dass sie mit ihren Stimmen alles, aber auch alles machen können und der Vorarlberg­er der Runde, David Helbock, lieferte den Stimmakrob­aten aus Frankreich eine stets solide und dabei fein ausdiffere­nzierte Basis.

Ute Baumhackl, Andreas Stangl

 ?? P. PURGAR ?? Atemberaub­end: Abschlussk­onzert mit Camille Bertault
P. PURGAR Atemberaub­end: Abschlussk­onzert mit Camille Bertault
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HOLZMANN Nie eindeutig elegisch oder strahlend: StarPianis­t Gonzalo Rubalcaba

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