Ein Sekundenkrimi
ningslauf mit dem Flair von Wettlauf“. Am Rücken trägt er einen Rucksack mit Beachflag, die für die anderen Läufer, die sich an ihm orientieren können und so die gewünschte Zeit erreichen können, als Erkennungsmerkmal dient. „Wenn es warm ist, ist es hart, aber der Rucksack schränkt weniger ein, als man denkt. Der kostet vielleicht eine Minute über eine gesamte Marathondistanz“, sagt Mai, der von den Ultrabergläufen das vorgeschriebene Laufen mit Rucksäcken bestens kennt.
muss Mai funktionieren wie eine Maschine, dabei verlässt er sich nur auf sich selbst. „Das GPS kann ausfallen oder den Lauf anders vermessen, die Kilometertaferln können umfallen – aber egal, was passiert, ich muss exakt nach 3:14:59 Stunden im Ziel sein“, erklärt Mai. „Es braucht sehr viel Erfahrung und Körpergefühl, ich weiß, bei welchem Puls ich das benötigte Tempo habe.“Bei der Zielzeit liegt dieser bei Mai bei etwa 140 Schlägen pro Minute, „das Tempo könnte ich damit für sechs Stunden genauso halten“. Um das Handgelenk trägt der 44Jährige zudem ein Band, auf dem die Zielsollzeiten nach jedem Kilometer einfoliert sind.
Mais Bestzeit auf 42,195 Kilometer liegt bei 2:45:56 Stunden. Diese Reserve ist notwendig, denn auch an einem schlechten Tag muss er die 3:14:59 laufen. „Ich habe keinen Leistungsdruck im Sinne des Wettkampfes, aber ich bin für die anderen Läufer verantwortlich“, erklärt Mai. „Der Gedanke, dass das Schuhband aufgehen könnte, schwingt immer im Hinterkopf mit. Wenn an einem Tag alles schiefgeht, muss ich die Notreserve angreifen. Dieses Damoklesschwert hängt über mir.“
Dazu ist es bislang noch nie gekommen. „Bis jetzt war es immer eine Punktlandung“, sagt Mai. „Obwohl es über drei Stunden geht, ist es ein Sekundenkrimi.“
Dabei läuft der Tempomacher „nicht wie ein stummer Avatar dahin“, sondern gibt fachliche Tipps zu Laufstil und Nahrungszunahme und agiert als Motivator – und im Ziel oft auch als Trostspender. „Zwischen Kilometer 30 und 35 spielen sich immer die größten Dramen ab“, weiß Mai. „Innerhalb von fünf Kilometern verkleinert sich das Feld von 30 auf drei Läufer. Ich weiß meistens schon, wer es nicht schaffen wird, bevor sie es selbst wissen. Teilnehmer, die diese Zielzeit anpeilen, haben dem meist ein Jahr lang alles untergeordnet – wenn sie dann nach 30 Kilometern merken, es geht sich einfach nicht aus, fließen die Tränen“, sagt Mai, der dennoch hauptsächlich positive Emotionen in seiner Rolle verbindet. „Im Ziel ist es immer emotional. Auch jene, die drei Minuten über der Zeit ins Ziel kommen, umarmen dich. Diese drei Stunden, die man zusammen verbringt, schweißen zusammen.“